Rajin (Drachenfluch Erstes Buch) (DrachenErde - 6bändige Ausgabe) (German Edition)
verfügst als die Käfer, die sich leicht lenken ließen!“
War es seine eigene Stimme, die da in Gedanken zu Rajin sprach? Oder doch der Weise Liisho? Nur kurz blitzte diese Frage in ihm auf. Es war keine Zeit, ihr weiter nachzugehen. Rajin musste alles vermeiden, was seine Konzentration stören könnte.
Das Höhlenfaultier setzte einen Fuß vor den anderen und wankte auf Rajin zu. Es öffnete das Maul, und der daraus austretende Eishauch lähmte Rajin im nächsten Moment beinahe. Die Kälte war so durchdringend, dass er glaubte, das Blut würde ihm in den Adern gefrieren. Er wollte das Schwert heben und es dem Riesentier in den Leib stoßen, wie er es bei dem roten Drachen getan hatte. Aber er konnte sich nur noch sehr, sehr langsam bewegen, und die innere Kraft, die ihn gerade noch wie ein warmer Strom durchflutet hatte, war plötzlich verschwunden, erfroren im Eishauch seines Gegenübers.
Rajin war kaum noch in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Zuerst war die eisige Kälte schmerzhaft gewesen, aber inzwischen machte sie ihn beinahe empfindungslos. Er war innerlich und äußerlich wie erstarrt. Die Schwertspitze hielt Rajin noch immer tapfer in Richtung seines Gegners. Aber der Eishauch des Höhlenfaultiers hatte dafür gesorgt, dass sich ein feiner, hauchdünner Eispanzer auf dem Metall gebildet hatte.
Das Faultier näherte sich. Es holte Luft und stieß einen weiteren Eishauch aus, der Rajin wie ein Nebel umfing. Das immer stärker durch die Deckenöffnung hereinfallende Licht des Meermondes ließ die winzigen Eiskristalle darin funkeln. Eine Eisschicht überzog nun auch Rajins Hände, und Agonie erfasste ihn. Wie aus weiter Ferne hörte er eine Stimme, die ihn an eine Mission erinnerte, eine Stimme, an die er sich zunächst gar nicht erinnern konnte.
Liisho …, dachte er dann. Was spielt es noch für eine Rolle?
Er sank auf die Knie, und die Schwertspitze berührte den Boden. Einer der großen, ebenfalls mit langen, scharfen Krallen bewehrten Füße des Höhlenfaultiers setzte direkt vor ihm auf.
Rajin brachte weder die geistige noch die körperliche Kraft auf emporzublicken, als ein dunkler Schatten das blaue Licht des Meermondes verdeckte. Es war der Schatten einer riesigen Pranke, deren schwertlange Krallen Rajin mit einem einzigen Hieb in Stücke reißen konnten.
Die Pranke senkte sich.
Ganz langsam.
Und todbringend.
11. Kapitel
Der Frevel des Sternensehers
In das Heulen der Eiswölfe mischten sich die heiseren Schreie eines Menschen.
Während die Monde wie an einer Perlenkette über das Firmament zogen, wartete Bratlor beim schwarzen Felsen auf Rajins Rückkehr. Er hatte mit seinem Schwert und seiner Axt den Zauber Fjendurs durchgeführt, was ihm keinerlei Schwierigkeiten bereitete: Man musste einfach nur die entsprechenden Formeln sprechen und die Klinge gegen den schwarzen Felsen drücken. Manchmal fuhren dabei kleinere Funken aus dem Gestein und tänzelten um die auf diese Weise gesegneten Waffen. Man musste sie dann rechtzeitig vom schwarzen Felsen entfernen, denn wenn die Funken einen selbst trafen, konnte man ziemlich unangenehme Brandwunden davontragen.
Das Zauberfeuer der Kälte – so nannte man die Kraft, die dem schwarzen Felsen innewohnte. Manchmal bezeichnete man sie auch als den Zorn Fjendurs. Mochte dieser Zorn auch künftig die verfluchten Wassermenschen treffen!
Das Heulen der Wölfe ließ Bratlor über sich ergehen und achtete auch nicht weiter darauf. Er glaubte nicht, dass es auch nur eines der Tiere wagte, hinab in die kalte Senke zu steigen, mochte die Gier nach frischem Fleisch noch so groß sein. Also brauchte er sich vorerst auch keine Sorgen über sie zu machen.
Aber die Schreie aus der Orakelhöhle erschreckten Bratlor zutiefst. Hin und wieder hatte man schon wüste Schreie aus der Höhle gehört, doch bisher hatte noch jedes Sippenoberhaupt diesen Ort lebend verlassen hatte, und nie hatte sie jemand zu fragen gewagt, was sich in der Höhle ereignet hatte. Das wäre Frevel gewesen. Was in der Höhle geschah, ging nur denjenigen etwas an, der das Orakel befragte.
Bratlor zögerte daher. Erst ein weiterer Schrei löste seine Erstarrung.
Er griff nach seinem Bogen, den er abgelegt hatte, dann lief er zu den Riesenschneeratten und schwang sich in den Sattel seines Reittiers. Es war während einer Reise unüblich, den Tieren den Sattel vom Rücken zu nehmen. Und wenn man sich in die kalte Senke rund um den schwarzen Felsen begab, war es
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