Rampensau
sah nicht aus, als würde Finn wieder abfliegen. Sein roter Ballon mit dem Korb stand einsam auf dem Hof, direkt neben einem Holzstoß bei ihrer Wiese. Brunst hatte schon versucht, sich ein Stück aus dem Korb herauszubrechen, um sich darüber herzumachen, aber sofort war Dörthe eingeschritten und hatte ihn vertrieben. Überhaupt war sie weiterhin überaus freundlich zu Finn, was wiederum Carlo immer weniger gefiel. Die beiden trugen einen Tisch und Stühle auf den Hof, wo sie dann frühstückten. Carlo setzte sich mürrisch dazu. Nur Swara ließ sich nicht blicken. Gerüche von Kaffee und frischem Brot wehten herüber. Mit dem Maler Munk hatte Dörthe früher auch gelegentlich unter einem großen gelben Sonnenschirm gesessen, sie hatten aus großen Gläsern eine rote Flüssigkeit getrunken und sich geküsst. Dass aus dem gelben Kabriolett ein Toter weggetragen worden war, hatte offenbar keiner von ihnen mitbekommen.
Brunst legte sich neben Kim auf die Wiese. Versonnen blickte er zu den Menschen.
»Che will, dass ich an dem Wall arbeite«, sagte er, »aber wenn es so gut riecht, kann ich nichts tun. Mir ist übel vor Hunger.« Er schloss die Augen. »Frisches Brot mit Butter! Mmmh! Hast du so etwas schon mal gefressen?«
Kim schaute ihn an. Er lächelte mit geschlossenen Augen und wirkte seltsam verändert. Sollte sie ihm sagen, was der schwebende Bertie ihr verraten hatte – dass er nicht mehr um seinen Vater trauern sollte? Ja, sie musste es ihm sagen, aber da sprang Carlo plötzlich auf. Wütend starrte er Finn an.
»Was wollen Sie eigentlich hier?«, brüllte er und warf dabei eine Kaffeetasse um. »Sie fallen hier vom Himmel und schmeicheln sich bei Dörthe ein, die dumm genug ist, nicht zu merken, dass Sie ein mieser Spion sind und hier …«
»Nun hör aber auf!«, rief Dörthe entrüstet und stand ebenfalls auf, als müsse sie ihren Gast verteidigen. »Ich habe Finn eingeladen … Er ist Fotograf und will ein Buch über diese Gegend schreiben, für Touristen und so.«
Carlos stemmte herausfordernd die Hände in die Hüften. »Was ist mit unserem Stück? Wir sind hier, um an unserem Stück zu arbeiten. Wahrscheinlich hat Bornstein diesen Clown geschickt, um uns …«
Finn machte ein finsteres Gesicht. Er war der Einzige, der noch saß. »Unterlassen Sie bitte Ihre haltlosen Verdächtigungen … Ich tue nichts weiter, als die Gastfreundschaft von Frau Miller in Anspruch zu nehmen …«
Carlo schritt um den Tisch herum. Er packte Finn am Hemd und schüttelte ihn durch, ohne dass der sich wehrte. »Hauen Sie endlich ab! Sie haben hier nichts verloren. Und sagen Sie Bornstein, dass ich niemals aufgeben werde …«
Dörthe packte Carlo am Arm. Ihr Gesicht war rot vor Zorn. »Carlo, vielleicht solltest eher du darüber nachdenken abzureisen. Wenn ich ehrlich bin, hat mir dein Stück nie besonders gefallen. Du willst Bornstein aus Eitelkeit fertigmachen, weil er …«
Mit einer heftigen Bewegung ließ Carlo Finn los, der kraftlos auf seinen Stuhl sackte. Dörthe wich zurück, als fürchtete sie einen handfesten Angriff.
»Wer ist eigentlich der Vater deines Kindes? Michelfelder, dieser Speichellecker …«, fragte Carlo atemlos.
Kim stieß einen lauten Grunzer aus, als Carlo mit erhobenen Fäusten auf Dörthe zuschritt. Wenn er es wagen würde, ihr auch nur eines ihrer schönen roten Haare zu krümmen, dann … Ja, was dann? Wo war Lunke? Er hätte sich Carlo vornehmen können. Hilflos grunzte sie noch einmal, diesmal höher und schriller, doch niemand achtete auf sie. Brunst war nicht mehr neben ihr, er hatte sich bereits davongemacht, wie sie mit einem kurzen Seitenblick erkannte. Streitigkeiten zwischen Menschen langweilten ihn genauso wie Che.
Finn drängte sich nun zwischen Dörthe und Carlo. »Wenn es Ihnen hilft, kann ich jederzeit abreisen, aber ich glaube, das wird Ihre Probleme auch nicht lösen, Herr May …«
Ein dunkelblauer Wagen rauschte auf den Hof. Dieser Anblick fesselte die drei streitenden Menschen so sehr, dass sie völlig erstarrten. Die rothaarige Polizistin stieg aus dem Auto. Dieses Mal wurde sie von einem Mann begleitet. Er war groß, hatte eine recht dunkle Hautfarbe und trug seine langen Haare zurückgekämmt.
»Das ist Hauptkommissar David Bauer«, sagte Marcia Pölk. »Mein Kollege … wir haben wegen des Toten im Wald noch ein paar Fragen.« Abwechselnd schaute sie Dörthe, Carlo und Finn an. Auf Finn ruhte ihr Blick am längsten. Dann blickte sie auch zu Kim
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