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Rampensau

Titel: Rampensau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Blum
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Trost als die Geschichte von Anna, die Doktor Pik ihr erzählt hatte.
    Lunke ist erst dann tot, wenn du ihn tot vor dir siehst. – Verstohlen blickte sie immer wieder zum Wald hinüber. Was müsste sie tun, damit der wilde Schwarze plötzlich wieder auftauchte?
    Bertie, flüsterte sie stumm, kannst du mir heute Nacht nicht wieder ein paar Sternschnuppen schicken, damit ich mir etwas wünschen kann?
    Doch Bertie zog es vor, nicht zu antworten. Vielleicht hatte er Angst vor einem weiteren Irrtum.
    Als es dunkel wurde, trotteten die anderen in den Stall. Sie bewegten sich langsam und verzagt, als hätte Kim sie mit ihrer Trauer angesteckt. Finn und Dörthe hatten ein paar Kerzen auf den Tisch vor sich gestellt und unterhielten sich noch, doch auch sie wirkten plötzlich ernster und nicht mehr so ausgelassen. Irgendwann war Finn dann auch verschwunden, und Dörthe kam allein über die Wiese auf Kim zu. Zu ihrem großen Erstaunen hockte sie sich neben sie auf den Boden, ohne auf ihre Kleider zu achten, und hielt ihr eine lange Möhre hin. Eigentlich hatte Kim überhaupt keinen Hunger, aber sie wusste, dass sie Dörthe enttäuschen würde, wenn sie nicht zubiss, also streckte sie ihre Schnauze vor und pflückte ihr die Möhre vorsichtig aus der Hand.
    »Ich bin dir dankbar«, sagte Dörthe nachdenklich, während sie zum Haus hinüberstarrte. Die Kerzen brannten, sonst war alles dunkel. Keine Spur von Finn. »Ich habe zwar nicht viel mitgekriegt, aber ich weiß, dass du mich gerettet hast. Seltsam, aber du bist ja auch ein besonderes Schwein.«
    Dörthe legte den Arm um sie, und Kim grunzte leise.
    Plötzlich begriff sie, dass Che fürchterlich unrecht hatte – Menschen und Schweine waren gar keine Feinde. Nun, zumindest waren nicht alle Menschen Schweinen feindlich gesinnt. Dörthe wusste, dass Leben an sich kostbar war, nicht nur ihr eigenes oder das ihrer Artgenossen.
    Kim schloss die Augen und räkelte sich neben Dörthe, und für ein paar Momente war es ihr, als könnte sie die Menschenfrau neben sich verstehen: dass sie selbst nicht wusste, was sie mit ihrem Leben anfangen sollte – wie würde sie weiterleben, wenn ihr Kind auf der Welt war, sollte sie Finn an sich heranlassen, könnte sie ihn vielleicht sogar lieben?
    Ich glaube, sagte Kim ihr stumm, es könnte eine gute Idee sein, Finn zu lieben. Niemand sollte vor der Liebe davonlaufen, und vielleicht hätte auch ich mich auf Lunke einlassen sollen, statt ihn … Bei diesem Gedanken wurde ihr ganz mulmig zumute, und sie konnte nicht mehr weiterdenken.
    Dörthe blickte sie an, als hätte die Gedankenübertragung tatsächlich funktioniert.
    »Ja«, sagte sie. »Finn ist nett – er ist bestimmt auch sehr kinderlieb.« Dann stand sie auf, klopfte sich die Erde von ihrem Kleid und ging zum Haus zurück. Sie löschte die Kerzen auf dem Tisch und verschwand lautlos in der Dunkelheit.
    Nun lag Kim wieder allein da. Sie blickte zum Himmel. Viele winzige Lichter blinkten dort, doch keine einzige Sternschnuppe wischte über sie hinweg.
    Bertie, dachte sie, darf man sich auch ohne Sternschnuppe etwas wünschen?
    Sie schloss die Augen und wünschte sich Lunke herbei. Als sie die Augen wieder öffnete und zum Durchlass herüberschaute, war da jedoch niemand – nur leere, trostlose Schwärze.
    »Weißt du jetzt wenigstens, wer das Wollschwein umgebracht hat?«, fragte Che am nächsten Morgen. Er scharwenzelte schon eine Weile um sie herum, nachdem Edy ihn aus dem Stall gejagt hatte, weil er frisches Stroh herangefahren hatte.
    »Bertie«, erwiderte Kim missmutig, »das Wollschwein hieß Bertie. Du kannst ruhig seinen Namen nennen.«
    Che legte seinen Rüssel in Falten und rollte mit den Augen. »Und du weißt, wer von den Menschen der Mörder war?«
    »Kann schon sein«, sagte sie vage. Eigentlich hatte sie darüber noch gar nicht nachgedacht, aber da Bornstein nicht darüber hatte sprechen wollen, hatten vermutlich der weißhaarige Sven und Mats die Drahtschlinge um Berties Hals gelegt und zugezogen. Bei dem Gedanken daran krampfte sich ihr leerer Magen zusammen.
    »Wir wollen von nun an freundlicher miteinander umgehen«, versuchte Che es weiter. »Wir könnten dich aufmuntern … Brunst möchte dir seinen schönsten Kohlkopf bringen, und Cecile möchte dir von ihren Träumen erzählen – wie sie einmal mit einem laut krächzenden Raben um die Welt geflogen ist. Und ich …« Er verstummte.
    Kim schaute ihn an. »Ja?«, fragte sie. Wollte Che ihr nun gestehen, dass

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