Rampensau
Revolutionär ist einzig der Revolution verpflichtet. Und wenn die Zeit für die Revolution endlich reif ist, wird der Revolutionär als Krone der Schöpfung zu Ehren kommen und das Schicksal der Schweine …«
Kim stürzte sich förmlich auf ihn. »Che«, zischte sie ihm ins Ohr. »Noch ein Wort über deine verdammte Revolution, und ich sage allen, dass du diesen ganzen Zauber nur abziehst, weil du in Wahrheit in mich verliebt bist.«
Als hätte ihm jemand einen harten Tritt verpasst, stöhnte Che auf und verstummte. Er wagte nicht, sie anzuschauen, sondern wandte den Blick zum Haus, wo Dörthe und Finn wieder bei Kerzenlicht unter dem Sonnenschirm saßen. Sie küssten sich, und dann begann Finn mit der Zunge an ihrem Arm herumzulecken, und sie schloss die Augen und gab merkwürdige Geräusche von sich.
Kim drehte sich wieder zu Che um. »Ab morgen frisst du wieder ganz normal«, sagte sie und hatte das Gefühl, beinahe so streng wie die fette Emma zu klingen, »und ich vergesse, dass du überhaupt mit mir in den Wald gegangen bist.«
Sein Nicken wirkte klein und zaghaft.
Lunke ging es mit jedem Tag besser. Kim hatte den Verdacht, dass er es sogar geschafft hatte, mit Emma eine Verabredung zu treffen, denn meistens waren sie allein, wenn sie am frühen Abend in den Wald lief, um nach ihm zu sehen, wie sie es versprochen hatte.
Er wartete schon auf sie, hockte im hohen Gras und begann ihr immer neue Versionen seiner Heldentat zu erzählen. Mal hatte er Carlo die Waffe geradezu aus der Hand geschlagen, mal hatte er ihn auf seine Eckzähne genommen und gegen den Kastenwagen geschleudert. Oder er hatte ihn und die anderen über den Betonplatz um den Kastenwagen herumgejagt. Kim lächelte darüber, wie sehr Lunke sich an seiner Rolle als Held und Retter begeistern konnte. In einer Version hatte er es sogar mit dem toten Sven aufgenommen, den er kurzerhand mit zu den Angreifern gezählt hatte, weil ihm vier Gegner nicht mehr ausreichten.
Amüsiert hörte Kim zu, doch währenddessen wurde ihr eines immer klarer: Sie hatte es mit Lunkes Hilfe geschafft, Dörthe und das Kind zu retten, aber eigentlich wusste sie nichts. Wer hatte den weißhaarigen Sven umgebracht, und wo war das Geld, das Carlo vergraben hatte?
Diese Fragen stellte sich offenbar niemand mehr.
Marcia Pölk kam nur noch einmal zu einem kurzen Besuch auf den Hof; Dörthe schien ganz in ihrer jungen Liebe zu Finn aufzugehen. Jeden Morgen frühstückten die beiden zusammen, und dann sah sie ihm bewundernd zu, wie er mit nacktem Oberkörper auf einen Sandsack einprügelte, den er an einem Metallpfosten im Hof aufgehängt hatte. Merkwürdige Dinge taten die Menschen. An einem Tag wurde sogar ein neuer Korb mit einem Ballon angeliefert. Aufgeregt standen Dörthe, Finn und sogar Edy um das seltsame Fluggerät herum, machten allerdings keine Anstalten, sich in die Luft zu erheben. Hatte Finn dieses Gerät vielleicht angeschafft, um vom Himmel herunter nach dem Geld zu suchen?
Kim spürte eine seltsame Unruhe. Sollte sie noch einmal zu der Festung der Blutsauger laufen und nachgucken, ob sie das Geld irgendwo fand? Ach nein, was sollte sie mit bunten Papieren, die man zu nichts gebrauchen konnte? Und doch – sie konnte es schlichtweg nicht ausstehen, wenn irgendwelche Fragen unbeantwortet blieben. Und was war mit dem toten Sven passiert? Vielleicht lag er auch noch da und wartete darauf, dass ihn jemand abholte.
Lunke durfte sie mit all diesen Fragen nicht behelligen. Er schwelgte in seinen Heldentaten, und mittlerweile, nachdem sie ihm zehn Besuche abgestattet hatte, wartete er nicht mehr im Gras auf der Lichtung, sondern kam schon am Nachmittag zum Durchlass. Er streckte seinen linken Vorderlauf vor und grinste breit. Die Wunde war verheilt, nur das dunkle Fell war noch nicht richtig nachgewachsen.
»Könnte Bäume ausreißen«, rief er ausgelassen. »Oder Katzen und Hunde jagen. Aber nein!« Er grinste so breit, dass seine schiefen Zähne zu sehen waren. »Heute ist der Tag, an dem ich mit meinem Babe suhlen gehe!«
Kim verzog das Gesicht. »Nenn mich nicht Babe!«, erwiderte sie unfreundlich. »Sonst kannst du das gemeinsame Suhlen gleich vergessen!«
Lunke ließ sich die gute Laune nicht verderben. »Du hast es versprochen«, sagte er. »Und ich kann mir nicht vorstellen, dass ein kleines rosiges Hausschwein sich nicht an seine Versprechen halten will.« Er lachte so laut, dass Che und Brunst sich auf der Wiese umdrehten und zu ihnen
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