Rampensau
unvorsichtig trabte Lunke heran, so dass man ihn unmöglich überhören konnte, und im selben Moment begann eine Hupe zu dröhnen, ein ähnliches Töt-Töt-Töt wie in der Nacht im Wald.
Edy und Finn zuckten herum, versuchten zu orten, woher das Gehupe kam.
Kim konnte hinter ihrem Busch noch rechtzeitig in Deckung gehen, und auch Lunke zog so rasch den Kopf ein, dass die Männer ihn nicht entdeckten.
Das Töt-Töt-Töt irritierte sie. War es eine Warnung? Wollte sie jemand aufschrecken? Finn sagte etwas zu Edy, der daraufhin nickte und Anstalten machte, den Weg hinunterzugehen, geradewegs auf Kim zu, doch einen Atemzug später hörte das Hupen abrupt auf. Wohltuende Stille breitete sich wieder über dem Friedhof aus. Kim meinte sogar, das ferne, friedliche Plätschern des Wassers vom Eingang zu hören.
Edy zuckte mit den Schultern, und Finn griff wieder nach der Schaufel, weil das Loch noch nicht tief genug für den Metallkoffer war.
»Können wir endlich abhauen?«, knurrte Lunke ihr ins Ohr. »Ich habe immer noch Hunger!«
»Gleich«, erwiderte Kim. Warum versteckten sie den Koffer hier? Weil hier, wo ein Toter vergraben war, niemand danach suchen würde? Und war in dem Koffer das Geld, das alle haben wollten?
»Liebst du Dörthe eigentlich?«, fragte Edy plötzlich. »Ist sie gut im Bett? Oder fickt sie genauso mittelmäßig wie die anderen?«
Finn schaute überrascht auf. »Warum willst du das wissen? Ich denke, du interessierst dich nur für Männer?«
Edy wandte sich mit fragender Miene um, dann sah Kim, wie er schreckensbleich wurde, und sie erkannte, dass er es gar nicht gewesen war, der Finn diese Fragen gestellt hatte.
Hinter einem Baum trat eine andere Gestalt hervor, ein Mann, von dem sie sicher gewesen war, ihn niemals mehr wiederzusehen.
Carlo hatte längere Haare, er war ganz in Schwarz gekleidet, Hose, Jacke, Schuhe. Auch die Waffe in seiner Hand war schwarz.
»Ja«, sagte er. »Ihr habt gedacht, ich wäre noch im Knast … Was ein guter Rechtsanwalt so alles ausrichten kann!« Er lächelte und richtete dann die Pistole auf Finn. »Nun, mein ewig grinsender Ballonfahrer, leg mal schön vorsichtig deinen Klappspaten beiseite.«
»Nicht schon wieder!«, stöhnte Lunke und stieß ihr seinen heißen Atem ins Ohr. »Babe, meine Wunde tut immer noch weh. Ich finde, wir sollten uns verziehen.«
Sie nickte, machte jedoch keine Anstalten, auch nur eine Klaue zu bewegen. Stur hielt sie den Blick auf die Männer gerichtet.
»Kim«, raunte Lunke, »willst du uns schon wieder ins Unglück stürzen?«
Finn warf den Spaten vor sich auf den schmalen Weg. Dann hob er die Hände, aber richtig ängstlich wirkte er nicht.
»Was soll das Theater, Carlo?«, fragte er mit einem angedeuteten Grinsen. »Hast du vor, uns umzubringen?«
Carlo antwortete nicht sofort. Er bedeutete Edy, neben Finn zu treten. »Du also hast mir das Geld geklaut«, sagte er und pfiff einmal. »Edy, der grenzdebile Gitarrist – das nenne ich eine Überraschung.«
Edy sagte nichts, sondern verzog verächtlich das Gesicht. Auch er schien von der Pistole nur mäßig beeindruckt zu sein.
»Ich will das Geld«, sagte Carlo. »Es gehört mir. Ich habe es gefunden.«
»Du, Saukerl, hast es einem Toten geklaut.« Edy spuckte ihm die Worte förmlich vor die Füße.
»Kim«, sagte Lunke und klang beleidigt. »Ich will nur, dass du Bescheid weißt. Ich gehe jetzt. Ich lasse mich nicht noch einmal erschießen.«
Sie blickte ihn kurz an. »Niemand hat dich erschossen«, erwiderte sie. »Du hast dir einen Streifschuss eingefangen. Das ist alles.« Ohne seine Reaktion abzuwarten, wandte sie sich wieder den Männern zu.
Carlo wedelte mit der Pistole. »Gib mir den Koffer! Dann verschwinde ich!«
Edy schüttelte den Kopf. Er wagte es sogar, einen Schritt zurückzumachen und seinen rechten Fuß auf den Koffer zu stellen.
»Bedaure«, sagte er. »Dieses Geld hat mein Freund mir vererbt. Er ist dafür gestorben. Es gehört mir.« Er schaffte es sogar, offen und ehrlich zu lächeln. »Nur über meine Leiche.«
Finn hingegen legte die Stirn in Falten. Er machte auf einmal keinen so zuversichtlichen Eindruck mehr.
Carlo verzog den Mund. »Diese Pistole«, sagte er, »hat einen vorzüglichen Schalldämpfer. Da hört man nur ein leises Plopp – scheucht nicht einmal ein paar Vögel auf.«
»Ich konnte dich nie leiden«, sagte Edy. Er starrte an Carlo vorbei, und Kim hatte das sichere Gefühl, dass er sie entdeckt hatte und auffordernd die
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