Rampensau
Sonne spiegelten, die sich allmählich zum Horizont neigte.
Kim hielt den Atem an, den Blick starr auf den Koffer gerichtet. Sie kannte diesen Metallkasten – Carlo hatte in so einem Ding das Geld, das er gestohlen hatte, im Wald vergraben.
»He«, sagte Lunke und stieß sie an. »Ist das nicht dieser Kerl, der euch euren Fraß auf die Wiese wirft?«
Lunke hatte recht: Edy steuerte mit dem Koffer auf den Friedhof zu. Ganz gegen seine Gewohnheit hatte er keine silberfarbenen Knöpfe im Ohr.
Neben ihm lief Finn. Beide hatte es offenkundig eilig.
Wie kam ausgerechnet Edy an diesen Metallkoffer? Und wieso war Finn bei ihm? Die beiden hatten auf dem Hof bisher kaum ein Wort gewechselt, so dass es fast den Eindruck machte, als könnten sie sich nicht leiden.
»Ich finde, wir haben genug gesehen«, meinte Lunke. »Nun sollten wir die Biege machen und uns ins Dorf schleichen. Oder wenn du unbedingt willst, können wir auch gleich suhlen gehen.« Auffordernd grinste er sie an, doch Kim ließ die beiden Männer keinen Atemzug lang aus den Augen. Wie erwartet schritten sie durch ein schmales Eisentor und betraten den Friedhof.
»Lunke«, sagte sie, »wenn du nicht mitkommen willst, kannst du hier warten. Ich muss nur rasch etwas herausfinden.« Sie nickte ihm zu und trabte dann den Männern hinterher.
Lunke knurrte etwas vor sich hin, das sie nicht verstand, das jedoch wohl ein Fluch gewesen war. Sie hörte seine kratzenden Klauen auf dem Asphalt.
Vorsichtig schob Kim das Eisentor auf, das laut und verräterisch quietschte, aber zum Glück waren Edy und Finn nicht mehr in der Nähe.
Kim brauchte einen Moment, um sich zu orientieren. Vor ihr war ein steinernes Becken, in dem Wasser sprudelte. Eine ebenfalls steinerne Gestalt mit Flügeln, die eindeutig kein Vogel war, schaute sie traurig an. Links und rechts des Wegs reckten sich andere, eckige Steine in die Höhe.
Wohin waren Edy und Finn verschwunden?
Plötzlich vernahm sie hinter sich ein Grunzen. Panisch wirbelte sie herum. Lunke wühlte laut schmatzend Erde auf.
»Köstlich, Babe«, grunzte er mit vollem Maul. »Hier gibt es auch Blumenzwiebeln. Brauchen wir gar nicht bis zum Dorf zu laufen.«
Ohne auf ihn zu achten, lief sie weiter. Links von ihr ging ein Weg ab, auf dem zwei Schatten entlangglitten. Hier waren die beiden Männer also eingebogen. Auch wenn sie wusste, dass sie nun keine Deckung mehr hatte, folgte Kim ihnen.
Ihr Herz begann heftiger zu schlagen. Bei Schweinen auf einem Friedhof verstanden Menschen keinen Spaß. Aber umkehren, ohne zu wissen, was Edy und Finn vorhatten, konnte sie auch nicht.
Lunke grunzte immer lauter, während er die Erde aufwühlte. Hoffentlich verriet er sie nicht.
Am Ende des Wegs geriet Kim auf eine schmale Rasenfläche, und da konnte sie die zwei Männer sehen. Sie drückte sich hinter einen dornigen Busch, wo sie zumindest ein wenig Schutz fand.
Edy stellte den Metallkoffer ab und neigte den Kopf vor einem winzigen Flecken Erde mit einem Holzkreuz, auf dem sich eine Plakette mit einem Bild befand. Kim musste sich furchtbar anstrengen, um zu erkennen, was dieses Bild zeigte: das Gesicht eines lachenden jungen Mannes.
»Er hätte den Unsinn lassen sollen – Bornsteins Leute abkassieren zu wollen war von vornherein Wahnsinn. Hätte ihm jeder gesagt«, erklärte Finn. Er beugte sich vor und hatte plötzlich eine kleine Schaufel in der Hand. Vorsichtig, weil er sich offenbar nicht schmutzig machen wollte, begann er ein Loch zu graben.
Edy schaute Finn zu, ohne sich zu rühren.
»Rupert wollte mir das Geld geben – für unsere gemeinsame CD. Ich komponiere meine Musik, und er verkauft sie. Das war immer sein Plan. Weißt du, was eine richtig gute Produktion kostet? Da musst du mindestens eine Woche ein Studio mieten und einen echten Könner am Mischpult haben.« Auch wenn sie sein Gesicht nicht sehen konnte, wusste Kim, dass Edy traurig war. So hatte seine Stimme noch nie geklungen. Aber eigentlich redete er auch nie, sondern hatte stets seine silbernen Knöpfe im Ohr.
Dann begriff sie, wer der Mann auf dem Holzkreuz war – Rupert, der Tote aus dem Auto, der Mann, der noch einmal die Augen aufgeschlagen hatte, als sie mit Lunke in der Nacht zu ihm gekommen war.
Bertie, dachte sie aufgeregt, was geht hier vor sich?
Finn hatte mittlerweile ein kleines Loch ausgehoben. Er bedeutete Edy, ihm den Metallkoffer zu reichen, und legte ihn in das Loch hinein.
Dann geschahen zwei Dinge gleichzeitig. Vollkommen
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