Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel
sie steht erst ganz am Anfang ihrer Laufbahn.»
«Dennoch erscheint sie mir schon sehr sachkundig.»
«Sie hat nur die Zusammensetzung einer Arznei aufgesagt, die ich sie gelehrt habe. Ein Mädchen, das die Heilkunde erlernen möchte, aber ohne große Zukunft.»
Ofir hing seinen Gedanken nach.
Die Heilmittel hatten die sich rasch ausbreitenden Geschwüre bezwungen, und Ramses änderte seine Meinung noch immer nicht. Moses und Aaron hielten die Hebräer im Zaum, denn jede Übertreibung hätte das harte Eingreifen von Serramanna und seinen Ordnungskräften zur Folge gehabt.
Zu diesem Mißerfolg kam noch hinzu, daß auch die Verbindung zu Dolente, der Schwester des Königs, abgerissen war. Ohne jeden Zweifel war sie gescheitert. Nefertari lebte noch immer und litt unter keinerlei Beschwerden, die ihrer Gesundheit ernsthaft schaden könnten. Dolente fühlte sich hingegen gefährdet und wagte selbst nachts nicht mehr, ins Viertel der Hebräer zu kommen, weshalb Ofir auf unmittelbare Auskünfte über die neuesten Geheimnisse bei Hof verzichten mußte.
Doch das hinderte den Spion der Hethiter nicht daran, die Neigung der Hebräer zum Aufruhr weiterhin zu schüren, und eine kleine, fest entschlossene Gruppe, die sich um Moses und Aaron scharte, entwickelte sich zu einer immer bedrohlicheren Speerspitze.
Uriteschup außer Landes zu schaffen dürfte allerdings sehr schwierig werden. Da man ihm als Wohnsitz ein vornehmes Haus zugewiesen hatte, das Serramannas Männer Tag und Nacht bewachten, war Uriteschup zu nichts mehr nütze und eher lästig geworden. Anstatt ein ungeahntes Wagnis einzugehen, wäre es da nicht die bessere Lösung, ihn zu beseitigen, um Hattuschilis Wohlwollen zu erringen? Klug und listenreich, stand der neue König in seiner Erbarmungslosigkeit seinem Bruder Muwatalli in nichts nach.
Immerhin hatte Ofir noch einen Verbündeten, den niemand des Verrats verdächtigte: den Gesandten Meba. Trotz seiner Unzulänglichkeiten würde er ihm helfen, Uriteschup aus dem Weg zu räumen.
Acha ließ sich von nur sehr wenigen Männern Geleitschutz geben, denn im Gegensatz zu dem, was er Ramses erzählt hatte, schätzte der Oberste Gesandte seine Aussichten, in der hethitischen Hauptstadt freundlich aufgenommen zu werden, äußerst gering ein. In den Augen des neuen Königs war er nicht vertrauenswürdig, weil er Uriteschup ermöglicht hatte, sich seiner Strafe zu entziehen. Würde Hattuschilis Rachsucht größer sein als sein Sinn für kluge Staatsführung? Falls sein Haß überwog, würde er sämtliche Mitglieder der ägyptischen Abordnung, allen voran Acha, festnehmen, wenn nicht gar hinrichten lassen und Ramses auf diese Weise zu einem neuen Feldzug zwingen, um die Schmach zu tilgen.
Puducheba schien sich zwar wirklich für den Frieden einzusetzen, aber wie weit würde sie gehen, wenn es galt, gegen ihren Gemahl aufzubegehren? Die Königin von Hatti gab sich keinen Träumen hin. Falls sich die Verhandlung als zu schwierig erwies, würde sie die Fortsetzung des Krieges empfehlen.
Ein kräftiger Wind, wie er oft über die Hochebenen von Hatti pfiff, begleitete Acha und seine Männer bis vor die Tore der hethitischen Hauptstadt, die noch beängstigender als bei seinen früheren Reisen hierher den Eindruck einer uneinnehmbaren Festung erweckte.
Der Vorsteher des Amtes für die Beziehungen zu den Fremdländern übergab einem Wachsoldaten ein Schreiben, mit dem er sich als Oberster Gesandter Ägyptens auswies. Dann wartete er eine endlos lange Stunde vor einer kleinen Pforte, ehe ihm gestattet wurde, Hattuscha durch das Löwentor zu betreten. Anders als er es sich erhofft hatte, wurde Acha nicht zum Palast geleitet, sondern in ein Gebäude aus grob behauenen, grauen Steinen. Dort wurde er in einen Raum geführt, dessen einziges Fenster mit Eisenstäben vergittert war.
Selbst auf einen stets heiter-zuversichtlichen Menschen wirkte der Raum wie ein Gefängnis.
Wer sich auf die Gemütsart der Hethiter einließ, brauchte Fingerspitzengefühl und Glück, viel Glück. Und hatte Acha nicht das Maß, das ihm vom Schicksal zugestanden worden war, bereits ausgeschöpft?
Kurz nach Einbruch der Dunkelheit forderte ihn ein behelmter und schwerbewaffneter Soldat auf, ihm zu folgen.
Dieses Mal schlug er einen Weg ein, der zum Burgberg führte.
Nun war die Stunde der Wahrheit gekommen, falls es in der Welt der Gesandten überhaupt eine solche gab.
In der Feuerstätte des mittlerweile mit Wandteppichen geschmückten
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