Ramses Mueller
er verwechselt ihn, Armin, tatsächlich mit Schubal, keine Namenserinnerung, aber eine an Verabredungen, jetzt kann er sich den Ulf sparen, jetzt werden die Karten neu verteilt, und Schubal wird sich nicht wehren, wenn er verwechselt wird.
– Die kommen her?
Armin versucht, seine Panik »gefrierzutrocknen«, seine Frage emotionslos, ausgeschlafen zu bringen.
– So früh?
– Ja, haben wir doch gestern so ausgemacht, ich schieb noch schnell eine Ladung Toasts ins Rohr und du mach dann die Tür auf, wenn sie oben sind, ich kann mich nicht in diesem Aufzug blicken lassen.
Armin wandelt eine Scham an, nicht, weil er hier geschlafen hat, damit könnte man ja sogar angeben, niemand weiß, was in der Nacht tatsächlich passiert ist, vielleicht wollte Ramses ihm »an die Wäsche«, aber er ist nur mitgekommen, weil er nur noch einen Absacker, einen Kaffee, eine Zigarre oder einen Ofen, eine Tüte oder so was oben in der Wohnung wollte, sich ihm hingeben, weil er einen berühmten Namen hat? Sicher nicht! Kommst du noch mit rauf? Diese immer wieder gestellte Frage, die nur eine Absicht verfolgt, eine der transparentesten Absichten überhaupt, mit den fadenscheinigsten Ködern, aber Armin ging es nur um den Köder, nicht um den Haken. Sollte man mal gegenfragen, Kommst du noch mit rauf? Ja, aber was ist der Haken bei der Sache? Fensterputzen z. B., als Abwechslung, oder irgendwas anschrauben.
Ihn irritiert, dass er nur eine Socke anhat und dass seine iranische Murmel unter Ramses’ Bett liegt, von der Murmel weiß keiner, ein Mann mit nur einer Socke, der hat gar nichts, allerdings auch nichts zu verlieren, er ist halbiert, ein Jungtürke eben, ohne dass er genau weiß, was ein Jungtürke ist, er glaubt, ein unfertiger Mensch, an Tagen wie diesen toben die Bilder, Metaphern und Worte ganz besonders hektisch und flackernd durch sein Gehirn, wie Fliegen kommen sie ungebeten durchs geöffnete Fenster, draußen sitzen sie auf den Scheißhaufen, drinnen setzen sie sich auf die Salami und kotzen alles voll, kotzen, um die Salami zu zersetzen, den Brei saugen sie dann auf mit ihrem Rüssel, hätten die Fliegen Zähne und die Menschen Rüssel, dann …
– Hallo-ho, ist jemand zu Hause?
Schubal und Lydia betreten die Wohnung, Lydia lacht und deutet, das war klar, auf den einen nackten Fuß, ein gemeines Lachen, das so gar nicht zu ihrem keusch-betrunkenen Mädchenausdruck von gestern passt, aber vermutlich tobt es in ihr drinnen genauso, wie es in Armin tobt, das große Nagetier, man muss sich zuerst finden, vorher noch ein bisschen als Geist herumeiern, als Gardine wehen im Wind, Orientierung suchen, Andockmöglichkeiten, eine Haltestange, da darf man hämisch sein, auch wenn die Botschaft doppelt verletzend ankommt, denn empfindlich ist man natürlich auch, aber man muss die Schwächen ja irgendwie kompensieren, kanalisieren, nicht wahr?
Schubal zieht die Schuhe aus, als er die Wohnung betritt, Lydia nicht, sie hebt die Schultern und stellt die Handinnenflächen nach außen vor, die Was-soll’s-Geste, und? Auf den fragenden Blick Armins:
– Heute Nachmittag kommt die Putzfrau. Woher weiß sie das? Ist sie mit Ramses doch enger? Der kommt aus dem Schlafzimmer, angezogen.
– Na, ihr zwei Hübschen, wer will was? Tee, Kaffee, Supertoast, Stützbier, Auffangbier, hoffe, ihr seid noch nicht so weit, was, Armin?
Er sieht Schubal an, Schubal ist irritiert, er kann sich nicht entscheiden, den Namen zu korrigieren oder ein Bier zu verlangen, oder kein Bier? Noch schwerer ist die Entscheidung zwischen Kaffee und Tee, oder Tee und Bier?
– Ich müsste mal wohin.
– Zweite rechts, aber Vorsicht, Aquaplaning, war grad unter der Dusche.
Schubal betritt das Bad mit Socken, sofort klatschnass, er krempelt sich die Hosen hoch, während er gleichzeitig denkt: Was soll das denn jetzt, der Pegel steigt ja nicht, wache auf, er muss eigentlich scheißen, in der Nacht hatte er gekotzt, die vielen Dörrpflaumen und Salzmandeln bei Schlingensief und dann noch der nächtliche (vegetarische) Kebab, das ist die biblische Teilung des Roten Meeres, in seiner Mitte, in der Mitte seines Körpers wird entschieden, was kommt oben raus, was hinten.
Aber hier geht Scheißen schlecht, Füße nass, draußen die muntere Gesellschaft, einer von ihnen hält ihn für Armin, aber das ist doch gar nicht so schlecht, gute Ausgangsbasis, für einen zumindest ist er nicht er und kann tun und lassen, was er will, und für die anderen ist er nur ein
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