RAND DER DUNKLEN (EDGE T-FLAC/PSI) (German Edition)
was ihren Sohn am Leben halten würde, dieses letzte Stückchen an Information war. Wer konnte sagen, dass sie Casey tatsächlich gehen lassen würden, so wie sie es versprochen hatten?
Ihr Verstand war ein Labyrinth des Schreckens. Sie hob ihren Kaffeebecher und bemerkte, wie ihre Hand zitterte. Aber sie brauchte das Koffein.
Die einzige Atempause von der lähmenden Angst empfand sie, wenn sie mit Grant zusammen war. Er verstand ihre Tränen und weshalb sie die Entführung geheim halten musste. Es gab niemanden auf der Welt, den Joanna mehr liebte als ihren Sohn. Doch etwas an Grant erlaubte es ihr, für eine kleine Weile zu vergessen, welche Angst sie hatte. Er lieh ihr seine Schulter, an der sie sich ausheulen konnte, und eine starke Brust, an die sie sich anlehnen durfte. Wie immer wärmten sie die Gedanken an Grant weitaus mehr als ihr Kaffee. Dann folgten Schuldgefühle. Casey sollte das Einzige sein, woran sie denken durfte. Herrgott, wann war sie eine solch lausige Mutter geworden?
Es war ja nicht so, als ob sie Grant ihrem vermissten Kind vorzog 一 aber er vermittelte ihr Hoffnung, war ein Licht in der Dunkelheit der Verzweiflung. War es so schrecklich, wenn sie in Grants Armen ein wenig Trost fand?
Was wäre, wenn? Was wäre, wenn Casey etwas passierte? Was dann? Während sie hier saß, umgeben von ihren Kollegen, fühlte Joanna, wie das vertraute kalte Gefühl echter Panik ihren Körper von innen erfasste, und sie versteckte ihr Gesicht schnell hinter ihrem Becher, um nicht laut aufzuschreien. Sie wollte ihren Sohn in den Armen halten. Sie wollte ihn und sein schiefes Lächeln über den Kuchentisch hinweg ansehen. Sie wollte über seine Turnschuhe in der Diele stolpern ...
Casey beherrschte jeden ihrer wachen Momente, und auch die meisten schlafenden Momente. Die einzige Zeit, in der sie sich weniger gestresst fühlte, war, wenn sie mit Grant zusammen war. Sie setzte all ihre Hoffnungen auf diesen Mann, machte Grant zum Helden, weil er versuchte, ihren Sohn zu finden. Das war nicht richtig. Herrgott, das war Millionen mal falsch.
Joanna rieb mit der Hand über ihre Augen. Sie war ärgerlich, verängstigt, verwirrt und fühlte sich gefangen.
Serena war einer der mitfühlendsten Menschen, die Joanna je getroffen hatte. Was wäre, wenn sie zu Serena ginge ...
Sie würden Casey toten.
Aber woher sollten die wissen, dass sie sich ihrer Chefin anvertraut hatte?
Genauso, wie sie herausgefunden hatten, dass sie es Henry gesagt hatte?
Der Direktor der Stiftung hätte den Schlaganfall vielleicht ohnehin bekommen, aber Joanna war nicht überzeugt, dass die Entführer nicht irgendwie auch dafür verantwortlich waren. Henry lag seit fast zwei Wochen im Koma, und vielleicht erholte er sich nie mehr.
Serena stand wegen all ihrer Arbeit für die Stiftung in der Öffentlichkeit. Sie wäre ein leichtes Ziel für die Hintermänner der Entführung.
Und verdammt noch mal! Sie waren heute immer noch nicht näher dran, eine Energiequelle zu finden, als vor drei Wochen. Sie hatte den Mistkerlen so ziemlich alles, was sie über die Heizdecke wissen mussten, auf dem Silbertablett serviert. Nun ja, beinahe alles. Es gab da ein kleines Detail, welches Henry vergessen hatte zu dokumentieren. Die Sache, über die sie ihn befragt hatte, als er zusammengebrochen war.
Sobald die Kidnapper bemerkt hatten, dass ihnen ein Stück zum Puzzle fehlte, hatten sie die Geduld verloren.
Die Zeit lief ihr davon.
Joanna bemühte sich, wenigstens den Anschein zu erwecken, sie würde an der lebhaften Unterhaltung um sie herum Anteil nehmen. Sie fragte sich, ob Serena überhaupt im Gebäude war. Sie hatte sie den ganzen Tag nicht gesehen, aber das war nicht ungewöhnlich. Serena verbrachte manchmal Stunden am Telefon, um Spendengelder für die Stiftung aufzutreiben.
Sie war entweder oben in ihrem Zimmer, oder vielleicht hatte sie sich für eine Weile woandershin teleportiert und überprüfte ein anderes Projekt.
Vielleicht machten ihr auch ihre schrecklichen Stiefsöhne wieder Kummer. Ihr Ehemann hatte schon gewusst, was er tat, als er Serena die Leitung der Stiftung übertragen hatte.
Sie machte ihre Sache gut, dachte Joanna und umklammerte die Tasse mit lauwarmem Kaffee. Serena war hübsch und intelligent. Die Leute wurden von ihr angezogen.
Es gab Studien, die bewiesen, dass große, gut aussehende Menschen, sowohl Männer als auch Frauen, die besten Jobs bekamen, mehr Geld verdienten und im Allgemeinen weitaus besser lebten als
Weitere Kostenlose Bücher