rank und schlank und rattenscharf
gedacht. Eigenartig, gerade mal sechs Tage von Zuhause weg und ich vermisse sie alle sehr. Ein Foto würde etwas helfen.
Ich habe noch eine zweite saubere Hose dabei, die will ich aber heute noch nicht anziehen. Sie soll sauber bleiben für den Tag, an dem ich in Santiago de Compostela ankomme.
Ich laufe noch mal zurück und ziehe an einem Automaten einige Flaschen Wasser. Nun wird es Zeit, sich mal richtig den Bauch vollzuhauen. Ich habe seit Tagen fast nichts gegessen, meistens aus Erschöpfung oder weil es nichts gab. Kira hatte oft mehr als ich. Aber jetzt ist es 19.00 Uhr, eine zivile Zeit, und die Küchen sollten gerüstet sein für meinen riesigen Appetit. Mal schauen, was es in diesem Kuhdorf leckeres gibt. Dann mal los.
Wir setzen uns in ein Gartenrestaurant und sind die ersten. Kurze Zeit später kommen weitere Gäste. Mir knurrt der Magen.
Unter den Tischen läuft eine Katzenmutter mit ihren Jungen herum und sucht Essensreste.
Das ist jetzt nicht das, was ich wirklich brauche. Kira kennt Katzen, sie teilt sich zuhause ihr Reich mit Simba, unserer getigerten Katze. Aber hier springt sie immer wieder bellend unter dem Tisch auf, weil sie ihr zu nahe kommen. Ich halte sie kurz und habe einen Fuß auf der Leine.
Die Vorspeise ist ein Salat mit Ei und Oliven und immerhin schon mal ein Tropfen auf den heißen Stein. Als Hauptgericht gibt es Paella mit Muscheln und Krabben, zum Abschluss ein Dessert: Naturjoghurt mit Honig. Zum Essen wähle ich einen Rosé. Die Flasche trinke ich nur halb leer, denn ich muss gleich weiter. Bald wird es dunkel und ich brauche wieder einen Schlafplatz, wo ich mein Zelt unbeobachtet aufbauen kann.
Während des Essens gebe ich meinen Fotoapparat und mein Handy mit den Ladestationen der Kellnerin und bitte sie, mir beides im Restaurant aufzuladen. Sie schaut zwar etwas verdutzt, als ich ihr die Sachen in die Hand drücke, nimmt sie aber mit. Seit dem zweiten Tag sind die Fotoapparat-Akkus leer und ich kann nicht fotografieren. Jetzt müssten sie voll sein und ich möchte nach meinem Espresso schnell zahlen. Es dauert und dauert, mittlerweile sind alle Tische besetzt, deshalb kommt sie nicht dazu, mir die Rechnung zu machen.
Eine junge Pilgerin kommt völlig ausgepumpt an und fragt nach einem Zimmer. Sie bekommt ohne Probleme ein Bett in dieser Pension. Warum denn ich nicht? — Sie bringt ihren Rucksack aufs Zimmer, kommt schon nach wenigen Minuten wieder und setzt sich an den Tisch vor mir. Geduscht hat sie noch nicht, aber sie hat wenigstens eine; ich nicht. — Bestimmt hat sie ebenso einen großen Hunger, wie ich hatte. Sie bestellt und bekommt eine riesige Portion Spaghetti. Während des Essens schreibt sie in ihrem Tagebuch. — Sehen die lecker aus, die würde ich auch noch schaffen.
Gegenüber vom Restaurant lungern komische Typen herum. Da es jetzt dunkel wird, überlege ich, ob sie mir vielleicht gefährlich werden könnten. Ich hoffe nicht, zum Glück habe ich Kira dabei; ohne Hund sähe es ganz anders aus.
Es dauert ewig, bis ich meine Rechnung bekomme. Endlich kann ich zahlen, bin aber immer noch unruhig. Werde ich noch vor Einbruch der Dunkelheit einen Schlafplatz finden?
Wir verlassen den Ort mit zügigen Schritten und biegen noch in Sichtweite der Häuser ich in einen Olivenhain ein. Der Lehmboden ist bewachsen mit Unkraut und einigermaßen gerade. Jetzt ist das eingetroffen, was ich befürchtet habe: Es ist schlagartig dunkel geworden. Jetzt baue ich auch kein Zelt mehr auf, es ist finstere Nacht von einer Minute zur anderen. Ich rolle meine Isomatte und den Schlafsack aus und krieche schnell hinein.
Ich blicke zum Himmel und beobachte die Sterne, Kira an meiner Seite, und kann nicht einschlafen. Das kann doch nicht an einem Espresso liegen? Liegt es an meiner totalen Erschöpfung? Kira und ich haben uns dicht an einander gekuschelt. Ich höre Musik und kraule ihren Bauch. Irgendwann schlafe ich ein.
Was ist das denn? Mitten in der Nacht fangt es an zu tropfen. Regen, so ein Mist! Was soll ich machen? — Weglaufen, wohin? — Ich nehme meine Taschenlampe und suche an meinem Rucksack den Knirps, den ich gestern noch bei den eisernen Kunstwerken zurücklassen wollte, um unnötiges Gewicht zu sparen. Das war bis hierhin das einzige Teil, von dem ich mich hätte trennen wollen — und jetzt regnet es. Mal gut, dass ich ihm noch eine Chance gegeben habe.
Ich spanne den Schirm auf und schiebe alle Sachen, die kein Wasser vertragen, darunter. Kira hat nun
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