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Rankin, Ian - Rebus - 06 - Blutschuld

Rankin, Ian - Rebus - 06 - Blutschuld

Titel: Rankin, Ian - Rebus - 06 - Blutschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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noch immer ihr Flugblatt, das ihm in Gestalt eines Papierfliegers zugeflogen war.
    In St. Leonard’s fand er sie im Fringe-Programm: »Active Resistance Theatre«; »aktiv« vermutlich im Gegensatz zum passiven Widerstand. Er erledigte ein paar Anrufe nach Glasgow. Jemand würde ihn zurückrufen. Der Rest des Tages war wie hinter einer dichten Nebelbank verschwunden.
    Als er das, was von seinem Wagen noch übrig geblieben war, abschloss, spürte er, dass jemand hinter ihm stand.
    »Zum Teufel mit dir, Wieselgesicht!«
    Doch als er sich umdrehte, sah er in Caroline Rattrays Gesicht.
    »Wieselgesicht?«
    »Ich dachte, du wärst jemand anders.«
    Sie schlang die Arme um seinen Hals. »Nun, falsch gedacht. Ich bin ich. Erinnerst du dich? Ich bin die, die seit Gott weiß wie lange versucht, dich ans Telefon zu kriegen. Ich weiß, dass man dir meine Anrufe ausgerichtet hat; das hat mir einer aus deinem Büro verraten.«
    Das dürfte Ormiston gewesen sein. Oder Flower. Oder sonst jemand, der momentan was gegen ihn hatte.
    »Herrgott, Caro.« Er riss sich von ihr los. »Du musst verrückt sein.«
    »Hierher zu kommen?« Sie sah sich um. »Sie wohnt also hier?«
    Sie klang völlig unbekümmert. Das war das Letzte, was Rebus jetzt brauchen konnte. Sein Kopf fühlte sich an, als habe ihm jemand einen Keil ins Gehirn getrieben. Was er jetzt brauchte, war ein Bad; und er musste aufhören zu denken – es würde ihn einiges an Anstrengung kosten, nicht mehr über diesen Fall zu brüten.
    »Du bist müde«, sagte sie. Rebus hörte nicht zu. Er war zu sehr damit beschäftigt, Patience’ direkt vor dem Gartentor parkenden Wagen und die Straße dahinter zu beobachten und inbrünstig zu hoffen, dass sie nicht plötzlich auftauchte. »Nun, ich bin auch müde, John.« Ihre Stimme wurde allmählich lauter. »Aber selbst der anstrengendste Tag bietet noch Raum für ein wenig Rücksichtnahme!«
    »Red leise«, zischte er.
    »Wag’s ja nicht, mir vorzuschreiben, was ich tun soll!«
    »Herrgott, Caro …« Er kniff die Augen zu, und sie schwieg einen Moment. Das genügte ihr, um zu erkennen, in welchem körperlichen und seelischen Zustand er war.
    »Du bist erschöpft«, stellte sie fest. Sie lächelte und berührte sein Gesicht. »Es tut mir Leid, John. Ich hatte einfach gedacht, du würdest mir aus dem Weg gehen.«
    »Warum sollte ich, Caro?« Obwohl er sich allmählich den einen oder anderen Grund schon vorstellen konnte.
    »Wie wär’s mit einem Drink?«, sagte sie.
    »Nicht heute Abend.«
    »Na gut«, sagte sie und zog einen Flunsch. Noch vor einer Minute war sie Orkan und Kanonendonner gewesen, und jetzt wirkte sie wie eine glatte Oberfläche, die nur eine vollkommene Windstille erzeugen konnte. »Morgen?«
    »In Ordnung.«
    »Dann um acht in der Caly-Bar.«Wobei sie mit »Caly« das Caledonian Hotel meinte. Rebus nickte.
    »Prima«, sagte er.
    »Dann bis dann.« Sie lehnte sich an ihn und küsste ihn auf die Lippen. In Erinnerung an ihr Parfüm zog er sich so schnell wie möglich zurück. Noch ein Hauch von dem Duft, und Patience würde zum Super-GAU werden.
    »Bis dann, Caro.« Er sah ihr nach, bis sie in ihren Wagen eingestiegen war, und ging dann rasch die Stufen zur Wohnung hinunter.
    Als Erstes ließ er sich ein Bad einlaufen. Er schaute in den Spiegel und bekam einen Schreck. Er sah seinem eigenen Vater ins Gesicht. In späteren Jahren hatte sich sein Vater einen kurzen grauen Bart stehen lassen. In Rebus’ Stoppeln war auch schon Grau zu erkennen.
    »Ich sehe aus wie ein alter Mann.«
    Es klopfte an der Badezimmertür. »Hast du schon gegessen?«, rief Patience.
    »Noch nicht. Und du?«
    »Nein, soll ich was in die Mikrowelle schieben?«
    »Klar, prima.« Er goss Badeöl ins Wasser.
    »Pizza?«
    »Ganz egal.« Sie klang gar nicht so schlimm. Das war das Gute an einer Ärztin: Sie sah täglich so viel Leid, dass es ihr leicht fiel, kleinere Wehwehchen wie häusliche Auseinandersetzungen und mutmaßliche Seitensprünge mit einem Achselzucken abzutun. Rebus zog sich aus und warf seine Sachen in den Wäschekorb. Patience klopfte noch einmal.
    »Übrigens, was machst du morgen?«
    »Du meinst morgen Abend?«, rief er zurück.
    »Ja.«
    »Soweit ich weiß, nichts. Könnte sein, dass ich arbeiten muss …«
    »Das lässt du besser sein. Ich hab die Bremners zum Essen eingeladen.«
    »Ah, gut«, sagte Rebus und steckte den Fuß ins Wasser, ohne vorher die Temperatur zu überprüfen. Das Wasser war kochend heiß. Er zog den Fuß

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