Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)
sein.
Ich nickte einfach, in der Hoffnung das Richtige zu tun.
Durch Brömmes Gesicht zog sich ein Lächeln. Fast brüderlich klopfte er mir auf die Schulter und sagte: »Ich wusste, dass wir auf Sie zählen können. Immerhin haben Sie ja noch ein paar Tage, um sich vom Koch alles erklären zu lassen.«
Ein paar Tage? Wofür? Ich schüttelte seine Hand, die er mir reichte, und tat, als freute ich mich ebenso.
Ortrud erwartete mich schon gespannt in der Umkleidekabine. »Erzähl, wie war’s?« Dabei suchte sie instinktiv meinen Blazer nach Katzenhaaren ab.
»Berlin? Super«, log ich. Zum Verrecken wollte ich nicht zugeben, dass Berlin auch ohne mich existierte, mit all seinen Facetten und Kunstbühnen. »Und ich habe meine Schwester mitgebracht, um ihr mal Rügen zu zeigen«, setzte ich einen drauf.
»Du hast eine Schwester?«, wollte Claudia wissen. Sie hüpfte auf einem Bein herum, weil das andere in ihrer Uniformhose steckte. »Wie alt ist die denn?«
»In deinem Alter«, antwortete ich und wandte mich wieder Ortrud zu. »Sag, wie geht es deinem Mann? Konnte dein Anwalt schon was erreichen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ist nicht so einfach«, murmelte sie. Dann sprang sie auf, glättete ihre Jacke und stieß Claudia an. »Mach hin! Du weißt doch, dass wir heute mächtig zu tun haben.«
Diese hatte endlich ihren Fuß durch die Hose gefädelt. »Mensch, ja doch!«, erwiderte sie, während sie ihr Gleichgewicht suchte.
Ich musste plötzlich kichern. Wie eine betrunkene Nachtigall flatterte sie mit den Armen beim Anziehen ihrer Jacke, die meiner Meinung nach viel zu eng war.
»Lieber gepresst als labberig«, argumentierte Claudia und erinnerte mich sofort an Sarah, die auch lieber gequetscht auf der Theaterbühne stand. Hebt den Busen und lenkt vom verschlampten Text ab, hatte Sarah immer behauptet. Der Applaus gab ihr jedes Mal recht. Nur nutzte das am Ende nichts. Ein aufgebauschter Busen lenkt zweifellos das menschliche Hirn vom Wesentlichen ab, aber einen Drogentest vermag er nicht zu manipulieren.
Ich öffnete die Tür vom Spind. Wieso hingen da Kochmützen drin?
»Übrigens, willkommen zurück an Bord«, sagte Claudia, fast beiläufig beim Zubinden ihrer Schuhe.
Ortrud, die ungeduldig mit den Fingern gegen die Tür trommelte, nickte. »Ja. Willkommen daheim.«
Ich hielt inne und wollte diesen Augenblick so lange wie möglich genießen. Aber die Zeit lief weiter, und auch Claudia hatte die Schnürsenkel zu einer Schleife gebunden.
»Wartet mal, ihr zwei.« Ich nahm Ortrud und Claudia in den Arm. »Ich bin so froh, wieder bei euch zu sein.« Und währenddessen überkam mich eine seltsame Empfindung. Eine, die ich noch nicht kannte und gegen die ich mich immer gesträubt hatte. O Gott! Ein Mann, eine Mutter,zwei Schwestern – mit Claudia gerechnet. Hilfe! Ich habe eine Familie!
Als der letzte Trauernde die Friedhild verlassen hatte, stürmte ich auf das Deck. Ich brauchte dringend Frischluft, um zu verarbeiten, dass ich der Koch – ich! – für die kommenden drei Monate sein würde. Schiffskoch! Auf einem Bestattungsboot! Mit einer albernen Kochmütze auf meinem Kopf, unter die mit Sicherheit mein langes Haar gepasst hätte, wenn Brömme nicht … Verdammt noch mal! Isabell hatte langes Haar! Und es glänzte wie ein Rosenblatt, von dem der Tau abperlte. Ich blickte an mir herunter. Toll! Ein moppeliges Schauspieltalent, das sein Glück auf einer Seebestattung fand, um es dann widerwillig an Miss Kriegerprinzessin zu verlieren? Nein! Ich stampfte auf. Ich werde das Feld nicht so einfach räumen. Nicht für diese Isabell. Wer war die überhaupt, dass sie plötzlich und ohne Vorwarnung in mein Leben trat und alles durcheinanderbringen konnte? Nur eine dämliche Ex, die vom Erbe ihres ausgedienten Freundes Wind bekommen hatte. Nichts weiter!
Als sich Claudia neben mir räusperte, zuckte ich zusammen. »Menschenskind! Dass du dich immer so anschleichen musst«, fuhr ich sie an.
Sie legte ihren Kopf in Schräglage und musterte mich grinsend.
»Was ist?«, herrschte ich sie an. Mir hing noch immer der Schreck in den Gliedern.
»Du hast doch irgendwas?«, begann sie zu forschen. Dabei kniff sie ihre Augen zusammen. »Ist was mit Hendrik?«, fragte sie weiter, mit dem listigen Blick einer jüngeren Schwester.
»Alles in bester Ordnung«, erklärte ich, aber Claudia wäre nicht Claudia, wenn sie sich damit zufriedengegebenhätte. Sie nervte so lange, bis ich ihr von Isabell erzählte, von Sarahs
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