Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)
nicht, nachdem sie mir hoch und heilig versprochen hatte, damit aufzuhören. »Ihr irrt euch! Das tut sie nicht!«
»Tut sie doch!«, sagte Claudia und schob mir die Telefonnummer von Pferdefranz zu.
Ich blickte auf die Visitenkarte. »Und was soll das Beweisen? Sie war beim Friseur, ja und? Brömme schickt doch jeden dahin.«
»Und dort hat sie auf dem Klo gekokst«, sagte Claudia. »Und Pferdefranz, dessen Sohn übrigens bei der Drogenfahndung ist, hat die Koksreste an ihrer Nase gesehen und das Geld, mit dem sie bezahlt hat, von seinem Sohn testen lassen.«
Es gibt Tests, die Koks auf Geldscheinen nachweisen? Wow! Ich sackte in mich zusammen. Zum einen schämte ichmich, dass ich Sarah ins Haus gebracht hatte, und damit unnötigen Ärger. Zum anderen fühlte ich mich miserabel, weil ich so blind war und nichts gemerkt hatte. Und das Allerschlimmste war, dass Franz Pferdinger die Bombe zum Platzen gebracht hatte, der bekannteste Inselfriseur zwischen Putbus und Lauterbach. Nicht nur dass er jetzt dachte, alle Berliner wären verkokste Schuldner, mit Sicherheit würde er es auch anderen Bob-Frisuren-Kandidaten erzählen, während er ihre Haare schnitt. Immerhin wussten es Ortrud und Claudia. Das klang verdammt nach Buschtrommel!
Die Haustür fiel ins Schloss. Kurz darauf hörte ich Sarah die Treppe hinaufkommen. Ich sah zur Uhr. Dreiundzwanzig Uhr. Sie trug ihre Strickjacke um die Hüften gewickelt. Als sie sah, dass ich noch wach war, setzte sie sich zu mir aufs Bett. Sie beugte sich über mich. »Was liest du da?«, fragte sie.
Am liebsten hätte ich ihr eine geknallt und sie angeschrien. Oder wenigstens mit: »Einmal Kokser, immer Kokser!« geantwortet. Aber ich blieb stumm und schlug das Buch zu.
»Aha! Ein Riesenherz im Friesennerz«, las Sarah laut den Titel meiner Bettlektüre. Ich nickte, obwohl ich sie viel lieber mit meinem Riesenherz erschlagen und in einen Friesennerz gerollt im Meer versenkt hätte. Aber das wollte ich der Buchautorin nicht antun. Gewiss hatte sie diesen wundervollen Roman nicht als Anreiz für einen Inselmord geschrieben. Ich musterte Sarah. »Lass mich raten, du warst bestimmt wieder die Beine vertreten.«
Sarah spürte den Unterton. »Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?«
»Eine verkokste und verlogene«, sagte ich, schlüpfte inmeine Plüschpantoffeln und ging hinunter in die Küche. Sarah folgte mir. »Rapunzel, bitte …«
»Was?«, herrschte ich sie an. »Willst du mir jetzt etwa erzählen, du wolltest es nicht und bist durch die falschen Freunde hineingeschlittert?«
Sarah seufzte auf. »Ganz bestimmt nicht. Ihr seid …« Sie schlug die Hände vors Gesicht und brach in Tränen aus. »… die besten Freunde, die man haben kann«, heulte sie.
»Ach was! Und weshalb kokst du dann weiter, obwohl du versprochen hast, damit aufzuhören? Und woher hast du überhaupt das Geld dazu?«, setzte ich nach, obwohl mein Herz bei ihrem Anblick krampfte. Am liebsten hätte ich sie in den Arm genommen und fest an mich gedrückt.
»Ich … ich …«
»Was?«
»Es tut mir so leid! Ich mach’s nie wieder.«
Ich umarmte sie. »Mensch, Süße, ich meine es doch nur gut mit dir. Und Ortrud und Claudia auch, verstehste?«
»Das weiß ich doch«, schluchzte sie. »Aber ich kann einfach nicht aufhören.«
»Blödsinn!«, sagte ich. »Das kannst du! Du musst es nur wollen.«
»Ist nicht so einfach, wie du vielleicht denkst«, brachte sich Claudia ein, die plötzlich in der Küchentür stand. »Ich meine, dass es so ein Psycho-Ding ist, eine Kopfsache, die medikamentös unterstützt werden muss.«
Ich starrte Claudia an. »Dann hätte sie doch in die Psychiatrie gehen sollen?«
»Nicht unbedingt. Die Klapse ist nicht immer die bessere Lösung. Ich weiß das, weil mein Freund früher auch gekokst hat. Und irgendwann kam Beschaffungskriminalität hinzu.«
Ich verstand nicht. »Was meinst du damit?«
Claudia ging zum Kühlschrank und trank einen Schluck Saft. Dann blickte sie Sarah an, die immer noch vor sich hin weinte. »Erklär es ihr.«
Sarahs Blickte wanderten umher, als suche sie nach einem Ausweg, einer Spalte im Boden oder irgendwas, um darin für alle Zeiten unterzutauchen. Dann holte sie tief Luft. »Ich habe das Geld geklaut.«
Ich war fassungslos. Suchte nach Worten. »Du meinst …«
»Ja, das Geld aus Hendriks Kassette. Und das aus Isabells Tasche. Und …« Sie stockte, während ihre Blicke zu Claudia wanderten. »Und das Geld aus der Haushaltskasse.
Weitere Kostenlose Bücher