Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)
Kopf. »So viel kann ich nicht zahlen.«
»Aber Sie haben den Auftrag doch erteilt.« Er lief hinter seinen Tresen und rieb mir den Auftrag nebst meiner Unterschrift unter die Nase.
Ich schluckte. »Kann ich das irgendwie abstottern?«
Pferdefranz war kein Unmensch. Er sah die Verzweiflung, die sich in meinem Gesicht widerspiegelte.
»Meinetwegen!«, lenkte er ein. »Aber bis zur letzten Rate bleibt die Perücke in meinem Besitz.«
Echthaarperücken ergrauen doch nicht? Oder etwa doch? Denn bis ich sie abgezahlt hätte, würde sie wahrscheinlich längst ergraut sein, vielleicht sogar kalkweiß wie das Haar der Knödelmayer. Ich willigte ein, zumal ich im Moment mit einem Rapunzelzopf sowieso nichts anfangen konnte. Oder vielleicht als Rettungszopf für über Bord gefallene Trauergäste? Eher nicht! Überhaupt hatte ich keine Verwendung dafür, wenn ich nicht zur Schauspielschule zurückkehren würde. Und für die Faschingszeit erschien mir ihr Preis zu hoch.
Ich schlenderte den kleinen Weg zurück zum Dorf. Der Schuldenberg türmte sich allmählich zu einem kleinen Mount Everest, was mich seelisch erdrückte. Erst dieser Stadtaffe mit seinem Pfannenschaden am Hirn und jetzt auch noch ein Haarteil, was im Grunde mein eigenes war, das mir den finanziellen Todesstoß versetzte. Damit waren meine Schulden gerade dermaßen angestiegen, dass ich überlegte, ob ich nicht doch wieder nach Berlin zurückgehen sollte. Jetzt, wo meine große Liebe geplatzt war – gescheitert an den Intrigen einer biestigen Ex-Diva.
Als ich daheim ankam, saß Claudia mit Ortrud am Küchentisch. Sie diskutierten über irgendwas. Ich glaubte den Namen Sarah gehört zu haben, konnte sie aber nirgends im Haus entdecken.
»Ist Sarah nicht da?«, fragte ich in die Küche blickend.
Ortrud, die sich zwischenzeitlich mit ihrer Witwenschaft auf eigenartige Weise abgefunden hatte, rollte Geldscheinezusammen und legte sie auf den gedeckten Tisch. Claudia stellte den Tee dazu. Dann blickten mich beide an.
»Huhu, hört mich wer?«, versuchte ich, auf mich aufmerksam zu machen. »Oder ist das hier so eine Art Überraschungsrunde?«
»Überraschen wird es dich gewiss«, sagte Claudia und drückte den Knopf des alten CD-Players, der auf dem Fensterbrett hinter der Küchenbank stand. Mutter, der Mann mit dem Koks ist da … dröhnte es aus dem in die Jahre gekommenen Plastikkasten.
Ortrud klopfte neben sich aufs Sitzpolster. »Komm, setz dich. Wir müssen dir was mitteilen.«
»Du selbst hast doch immer gesagt, dass schlimme Nachrichten ein gewisses Händchen und die nötigen Vorbereitungen erfordern«, erklärte Claudia.
Das stimmte allerdings! Das hatte ich gesagt! Aber was wollten die beiden bitteschön mit diesem Falco-Song zum Ausdruck bringen? Ich blickte mich etwas unsicher auf dem Tisch um, der seltsam geschmückt war. Gerollte Geldscheine, eine Kerze mit Pinocchio, dessen Nase sich um den gesamten Wachsstumpen rankte. Und irgendwer hatte Mehl ausgeschüttet und zu länglichen Linie gezogen. Hä? Backe-backe-Kuchen oder was? Ich hatte nicht die geringste Idee, auf was die beiden hinauswollten. Vielmehr sorgte ich mich um Ortruds merkwürdiges Verhalten seit der Todesnachricht. Gewiss verdrängte sie einfach stur die Tatsache, dass Harry tot war, und wollte auch nicht darüber reden. Selbst als der Anwalt vorbeikam, um sein Beileid auszusprechen und ihr nebenbei zu versichern, dass er, wenn Harry keinen Hirnschlag bekommen hätte, den Prozess um die lebenserhaltenden Maßnahmen mit großer Sicherheit gewonnen hätte, starrte sie ihn nur wortlos an. Wahrscheinlich überlegte sie, ob sie den Anwalterschlagen oder vergiften sollte. Entschied sich dann aber für die Ignoranz und wandte sich vom Paragraphen-Verdreher ab.
»Na, was denn nun?«, drängelte Claudia. »Ahnst du schon, was Sache ist?«
Hm … Mutter der Mann mit dem Koks ist da? Ich summte Falcos Song mit, der vor Jahren der reinste Ohrwurm war. Ich hab kein Geld, und du hast kein Geld. Wer hat den Mann mit dem Koks bestellt? Sosehr ich mich auch bemühte, ich kam nicht drauf. Aber wenigstens raten könnte ich ja mal. »Hat wer Kohlen bestellt und vergessen, dass wir eigentlich mit Öl heizen?«
Ortrud und Claudia starrten mich an, als sei ich geisteskrank.
»Was denn? Dann rückt doch endlich mal mit der Sprache raus.«
Claudia strich eine Haarsträhne ihrer perfekt sitzenden Kurzfrisur hinters Ohr. »Sarah kokst.«
»Was?« Das konnte ich nicht glauben. Wollte ich auch gar
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