Rashminder Tage 3 (German Edition)
nachträglich bewusst. Verdammt, sie hockten hier frei zum Abschuss!
Wo war Kaiden?
Er hörte Kirian schreien, mit sich überschlagender Stimme rief er Lys’ Namen.
Ihr Götter, lasst das nicht wahr sein!
Wo war Kaiden? Er spürte ihn, das war sein einziger Trost im Augenblick. Wobei sein Liebster in schwerem seelischen Aufruhr zu sein schien.
Eryk drängte sich rücksichtslos durch den Pulk Soldaten hindurch. Er entdeckte zuerst einen Schopf wüster kupferroter Locken – Kaiden kauerte am Boden, von blauen, knisternden Magiefunken umgeben. Er versuchte offenbar …
Erschöpfung fiel über ihn wie ein schwerer Mantel, als er Lys erkannte, der niedergestreckt auf dem Bauch lag, ein Pfeil ragte aus seinem Rücken. Sehr nah am Herzen. Da war überall Blut und Lys bewegte sich nicht.
„Es tut mir so leid, er muss sofort tot gewesen sein“, flüsterte Kaiden in die atemlose Stille. „Ich kann nichts mehr für ihn tun.“
Er zog den Pfeil aus der Wunde, warf ihn fort, bedeckte Lys’ Gesicht mit der Kapuze seines Umhangs und stand auf. Schreie wurden laut, die Soldaten zeigten Wut und Schock. Lys war von den Männern Corlins geradezu verehrt worden, das war nicht zu übersehen.
Tränen rannen über Kaidens Wangen, als er mit gesenktem Kopf zu Eryk kam und ihn Halt suchend umarmte.
„Ich kann das nicht“, wisperte er mehrfach hintereinander.
Wie betäubt streichelte Eryk seinen Rücken, starrte dabei auf Kirian, der unnatürlich ruhig blieb, zumindest äußerlich. Er war bleich, erkennbar aufgewühlt, doch der Schock hinderte ihn anscheinend daran zu reagieren. Es dauerte lange, bis er sich überhaupt regte. Mit langsamen Bewegungen kniete er nieder und hob Lys in seine Arme. Alle wichen zurück, als er vorbeischritt, um die Leiche seines Geliebten an den Wegesrand zu tragen, wo er ihn mit seinem eigenen Mantel verhüllte. Niemand sprach, alle senkten die Köpfe und bekundeten ihre Trauer. Es musste ein einzelner Attentäter gewesen sein, der gezielt auf Lys angelegt hatte. Nur ein einziger Pfeil war geschossen worden, obwohl sie hier alle ein leichtes Ziel boten.
„Wer immer das war, er hat keine Spuren hinterlassen“, verkündete ein nach Luft ringender Soldat, der soeben angelaufen kam. Anscheinend hatten einige von ihnen schnell reagiert und das Gelände abgesucht. Eryk wurde bewusst, dass er noch seine Schwerter in den Händen trug, rasch verstaute er sie in den Rückenscheiden.
„Ihr habt vermutlich nicht weit genug in den Wald hinein gesucht“, sagte König Archym. Er hatte den Pfeil aufgehoben und wog ihn mit grimmiger Miene in der Hand. „Die Befiederung zeigt die Farben der Weidenburg. Es war einer von Lys’ eigenen Leuten, und die treffen bekanntlich auf über zweihundert Schritt genau.“
„Elende Verräter“, stieß Kirian tonlos hervor. Er schien weiterhin im Schock erstarrt zu sein und unwillig, vom Körper seines Geliebten zu weichen: Breitbeinig stand er vor Lys und wirkte entschlossen, ihn vor allem und jedem zu verteidigen.
Archym zerbrach den Pfeil und wandte sich zu Eryk und Kaiden um.
„Ihr beide habt diese magischen Artefakte erhalten, die euch ermöglichen, in Windeseile zu reisen?“, fragte er.
„Ja“, erwiderte Kaiden leise.
„Bringt also bitte meinen Sohn, den Körper meines Schwiegersohns und mich selbst nach Purna, wenn es euch möglich ist.“
Eryk wollte verneinen, da weder er noch Kaiden wussten, wo Purna lag, doch sein Liebster nickte bereits zustimmend.
„Ich werde es finden“, sagte er sehr ernst.
„Ihr anderen reitet zur Weidenburg und haltet dort die Stellung, bis ihr neue Befehle erhaltet. Niemand kehrt nach Corlin zurück, niemand versucht, den Täter zu verfolgen oder ihn auf der Weidenburg aufzuspüren. Nehmt unsere Pferde mit, wir brauchen sie nicht. Zu keinem ein Wort über das, was geschehen ist! Folgt der Straße, benutzt das Botensystem und eilt euch.“
Die Soldaten wirkten verunsichert, was ihnen niemand verübeln konnte. Einige trauerten ganz offen um Lys, andere konnten die Befehle nicht verstehen und wollten den König nicht schutzlos zurücklassen. Diese Männer wussten nichts von Magie und der Fähigkeit, Mauern zu durchschreiten.
„Gehorcht!“, brüllte Archym, so laut, dass alle herumfuhren und zu ihren Pferden liefen.
„Majestät, wie kommt Ihr nun nach Purna?“, wagte einer zu fragen.
„Auf düsteren Pfaden, die ich sonst niemals freiwillig beschreiten würde.“ In seinem Blick lag eine tödliche Entschlossenheit,
Weitere Kostenlose Bücher