Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)
Parkplatz und sah sich hektisch zu allen Seiten hin
um. Als er sich dem Wagen näherte, begriff er, wen Martin dort auf dem Beifahrersitz
sitzen hatte. Eine ältere Dame mit einer ebenso alten Wollmütze, die so klein war,
dass sie gerade noch durch das Seitenfenster ihre Umwelt wahrnehmen konnte. Werner
ging ein paar Schritte auf Martin zu.
Noch bevor
sie sich gegenüberstanden, schimpfte Werner los. »Bist du wahnsinnig? Das kann dich
deinen Job kosten. Ohne richterlichen Beschluss …« Hartleib ging langsam um den
Wagen herum und nickte Frau Braun freundlich zu, als sie zu ihm aufsah. Martin ging
hinter ihm her.
»Ich weiß,
was ich tue. Außerdem, hast du eine bessere Idee? Du hast mir doch selbst gesagt,
dass wir keinen Beamten für Frau Braun abstellen können. Also, was willst du? Soll
sie die Nächste sein?« Werner blickte zu Boden. Die Situation war ihm sichtlich
unangenehm. »Natürlich nicht, aber was du tust, ist trotzdem nicht okay. Du brauchst
zumindest eine Vollmacht. Mein Gott, du benimmst dich wie ein Idiot und nicht wie
ein Profi.«
»Ach ja,
von wem soll denn die Vollmacht kommen? Von Schöller vielleicht? Soll mir Schöller
einen Wisch ausstellen, damit ich eine Frau aus einer Anstalt heraushole, von der
ich glaube, dass sie das nächste Mordopfer ist?«
Martin holte
tief Luft und schlang sich die Arme um die Brust. Dann sah er zu Emilie. »Ich habe
langsam das Gefühl, Schöller will den Fall gar nicht lösen. Warum auch immer,
aber alles, was wir tun, ist offenbar Mist. Ich werde den Mörder finden, und du
musst dir überlegen, auf welcher Seite du eigentlich stehst. Ich finde den Kerl
mit dir oder ohne dich.«
»Hör zu,
Martin. Du weißt, wir sind Freunde, aber das geht zu weit. Ich hab Familie zu Hause,
muss die Hypothek vom Haus abbezahlen und hab echt keinen Bock auf Dauerzoff mit
Schöller. Er ist nun mal jetzt unser Chef, und daran kannst du auch nichts mehr
ändern.«
»Ich verstehe.
Du bist also übergelaufen. Na schön. Macht, was ihr wollt.« Martin ging zu ›seinem‹
Wagen zurück und nahm den Türgriff in die Hand. »Sag mir wenigstens eins: Hat Feldmann
Personenschutz bekommen oder nicht?«
»Ja, hat
er, aber nur für heute. Schöller denkt, du hast Hirngespinste.«
»Ach ja,
verstehe. Das werden wir ja noch sehen.«
Martin stieg
in den Wagen ein, ohne sich zu verabschieden. Ohne auf Emilie zu achten, startete
er den Motor und jagte vom Parkplatz des Präsidiums. Er wusste nicht, wohin mit
seiner Wut, sie jedoch unbedacht im Verkehr auszulassen, war zwar sonst hilfreich,
nicht aber heute mit Frau Braun an seiner Seite, die einen Haufen eigener Probleme
am Hals hatte. Martin war sich sicher, dass jemand ihr nach dem Leben trachtete,
und er wollte dies unter allen Umständen verhindern. Warum der Killer jedoch auf
Emmi angesetzt war, wusste Martin immer noch nicht. Nur weil sie eine Prozessteilnehmerin
war – das allein konnte doch nicht reichen. Er musste erst mal einen klaren Kopf
bekommen und einen Kaffee trinken. Also beschloss er, nach Hause zu fahren. Eine
Strecke von 15 Minuten, die Emmi und Martin schweigsam verbrachten.
Wie durch
wundersame Fügung fand er einen Parkplatz direkt vor seinem Haus. Er stieg aus und
ging um den Wagen herum, um Emilie Braun heraus zu helfen. Dann holte er das Gepäck
aus dem Kofferraum und trug es für sie in die dritte Etage.
Oben angekommen,
sah sich Emilie zögerlich um. Sie behielt den Mantel an und machte sich, ohne zu
fragen, auf Erkundungstour durch alle Räume. Diesbezügliche, in fremden Wohnungen
aufkeimende Hemmungen schienen ihr fremd zu sein. Im Wohnzimmer blieb sie stehen
und betrachtete das Chaos auf dem Boden und auf dem Tisch. Leere Bierflaschen neben
Leitz-Aktenordnern. Benutzte Teller vom Vortag gesellten sich zu schmutziger Wäsche.
In all den Wirrungen hatte Martin vergessen, Ordnung für seinen Gast zu schaffen,
doch er dachte sich, es wäre die Hauptsache, Emilie am Leben zu erhalten. Aufräumen
könne er immer noch. Peinlich war es ihm aber jetzt doch. Dass Emilie dieses Chaos
gar nicht schlimm fand, sagte sie ihm nicht. Sie schmunzelte nur. Hektisch fing
er an aufzuräumen und trug die schmutzige Wäsche ins Schlafzimmer. Als er zurückkam,
hatte Emilie einige Teller in der Hand, die sie, immer noch im Mantel, in die Küche
brachte. Sie blieb vor der überfüllten Spüle stehen und suchte nach einer freien
Fläche. Da sie keine fand, stellte sie das schmutzige Geschirr vorsichtig auf dem
Boden ab. Der
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