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Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Gustmann
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würde zu sprechen, würde Emilie vermutlich
zusammenzucken und aus dem fahrenden Auto flüchten wollen. Martin ließ es ausgeschaltet.
    Aus dem
Augenwinkel beobachtete er sie ganz genau. Er war froh, dass sie so ruhig blieb,
möglicherweise noch eine Nachwirkung der Medikamente, die man ihr kurz vor der Fahrt
verabreicht hatte. Sie hatte sich mit ihrem dünnen Körper nach rechts gedreht, um
aus dem Fenster zu sehen und nichts zu verpassen, was ihren Augen geboten wurde.
Es war ein schöner Morgen und das Wetter zeigte sich den verdrossenen Hamburgern
gnädig. Die Sonne schien aus einem wolkenlosen Himmel bei frostigen drei Grad minus.
    »Haben Sie
schon gefrühstückt?«, begann Martin holprig ein Gespräch.
    Emilie wandte
sich nicht zu ihm herum, ließ nur den Kopf von einer für sie aufregenden Sehenswürdigkeit
zur nächsten schwenken. Nach drei Minuten kam ein monotones Ja. Erst als sie an
einem Ausläufer der Außenalster vorbeifuhren und sie das Wasser sah, auf dem sich
die Sonne mit Millionen kleiner Glitzerpunkte spiegelte, verließ sie ihre scheinbare
Lethargie. Sie zappelte auf ihrem Sitz herum, deutete mit ihrem knochigen Zeigefinger
genau in die Richtung des Gewässers und sah zum ersten Mal in Martins Richtung.
Mit staunenden Augen, die in diesem Moment eine unglaubliche Sehnsucht zum Ausdruck
brachten. Mit der Stimme eines Kindes sagte sie: »Fahren wir ans Meer?«
    Martin zupfte
verlegen an seinem Bart und sah sie an. Nicht lange, um den lebhaften Verkehr nicht
aus den Augen zu verlieren, doch lange genug, um ergriffen zu sein von einer Frage,
die für Emilie viel mehr beinhaltete als für die meisten Menschen. Wie für jemanden,
der regelmäßig am Wochenende zur Ostsee hochfuhr, der es gewohnt war, Dinge zu realisieren,
wie es ihm in den Sinn kam. Nicht jedoch für Emilie, die in ihrem ganzen Leben nicht
ein einziges Mal erlebt hatte, wie es ist, wenn die Schaumkronen des Salzwassers
in ihrem beständigen Rhythmus auf den weißen Sand rutschen und sich wieder zurückziehen.
Sie wiegen sich dabei wie in Gottes Armen und schenken dem Besucher, der gekommen
ist, um mit allen Sinnen das Meer zu fühlen, zu riechen und zu schmecken, einen
Frieden, den man nicht in Büchern vermitteln kann. Darüber gelesen zu haben, ist
nicht dasselbe, wie es erlebt zu haben.
    »Nein, heute
nicht«, antwortete Martin kurz und bog in die Straße ein, in der sich das Präsidium
befand. Jegliche Vorfreude wich aus Emilies Gesicht, und sie sackte in sich zusammen.
Schmollend schaute sie aus dem Fenster, bis der Wagen vor einem hohen Gebäude zum
Stehen kam. Sie hielten vor dem Präsidium.
    »Ich steige
nur kurz aus, bleibe aber in der Nähe. Bitte, bleiben Sie sitzen, okay?« Emilie
sah ihn ausdruckslos an und rührte sich nicht. Er stieg aus, schloss die Fahrertür
und kramte sein Handy hervor. Er zog den Reißverschluss der Jacke bis zum Hals und
wählte eine ihm vertraute Nummer. Nach zweimaligem Klingeln nahm Werner ab.
    »Hallo,
Werner. Ich bin’s. Bist du oben?«
    »Klar bin
ich oben. Im Büro. Wo bist du? Schöller ist gerade raus. Er hat mir nach unserer
Aktion gestern Abend bei Wegleiter und Fürst eine Standpauke vom Allerfeinsten gehalten,
das kannst du dir ja wohl vorstellen. Er kann es kaum erwarten, dir den Kopf abzureißen.«
    Martin ging
auf einer Fläche von zwei Quadratmetern auf und ab, in Blickweite des Wagens. »Ich
schätze, er genießt seinen Auftritt, aber auf mich wird er erst mal eine Weile verzichten
müssen. Tut mir leid, wenn ich ihn enttäuschen muss, aber ich stehe unten auf dem
Parkplatz und werde garantiert nicht hochkommen.«
    »Was soll
das heißen, du kommst nicht hoch.«
    »Na, was
gibt es da nicht zu verstehen? Ich kann nicht. Komm du bitte zu mir runter. Ich
hab einen Fahrgast, dem ich die Show von Schöller ersparen möchte.«
    »Martin,
sag bloß, du hast …?«
    »Mann, komm
einfach runter und wir reden.« Martin drückte die Stopp-Taste und sah zu Emilie.
Er wusste nicht, wie sie auf manche Dinge reagieren würde, doch schon ein normaler
Mensch würde das Weite suchen wollen, wenn Schöller mit seinem überheblichen, cholerischen
Gepolter loslegte. Er hielt es für das Beste, seinem Pseudochef für eine Weile aus
dem Weg zu gehen, zumal er Anweisungen erhalten würde, die er nicht einhalten könnte.
Jetzt ging es darum, in kurzer Zeit Ergebnisse zu erzielen, und die würde er unter
Schöllers Regie garantiert nicht bringen können.
    Drei Minuten
später erschien Werner auf dem

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