Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Gustmann
Vom Netzwerk:
ordentlich zurecht und begann ohne Einleitung mit der Beantwortung
seiner Frage.
    »Da waren
Männer.«
    »Wo? Auf
der Toilette?« Martin legte den Kopf auf die Seite.
    »Im Krieg.
Da wo ich gewohnt hab und auch danach.«
    »Ja?«, begann
Martin vorsichtig. Jetzt nur nichts falsch machen . »Und dann?«
    »Das darf
ich nicht sagen.«
    »Wie, das
dürfen Sie nicht sagen?«
    »Das darf
ich nicht sagen, sonst sperren sie mich wieder ein.«
    »Hören Sie,
Emmi. Niemand sperrt Sie wieder ein. Was dürfen Sie mir nicht sagen?«
    »Ich darf
nicht sagen, was ich nicht sagen darf.«
    Martin ballte
die Fäuste unter dem Tisch.
    »Okay. Fangen
wir nochmal ganz von vorn an. Sie sind in einem Lebensbornheim, also einem Kinderheim,
zur Welt gekommen und die ersten vier Jahre dort aufgewachsen. Waren da auch schon
diese Männer?« Martin sah Emmi mit aufgerissenen Augen an.
    »Nur einer.«
    »Und die
anderen?«
    »Kamen später.«
    »Später?
Als Sie nicht mehr in Steinhöring wohnten? Nachdem Sie umgezogen waren?«
    »Im Krankenhaus.
Drei Männer, die was mit mir machten.«
    Martin stöhnte
leise. Er fragte sich, ob es klug war, weiter zu insistieren. Er wusste sehr wohl,
dass er kein ausgebildeter Psychiater war. Seine Ausbildung in Dingen der Psychologie
würde bei Emilie bei Weitem nicht ausreichen. Andererseits könnte sie der Schlüssel
zur Lösung ihres gemeinsamen Problems sein.
    »Was haben
die gemacht, diese Männer?« Im selben Moment wurde Martin klar, dass er mit dieser
Frage eine Grenze überschritten hatte, die er nicht hätte überschreiten dürfen.

Kapitel 46
     
    Seevetal, 11. November 2010
     
    Emilie bedachte Martin mit einem
starren, leblosen Blick. Martin hielt die Luft an und rechnete mit dem Schlimmsten.
Er ließ Frau Braun nicht eine Sekunde aus den Augen. Nach drei Minuten war noch
immer nichts passiert, außer dass sie, nachdem Martin ihr diese Frage gestellt hatte,
zu einer reglosen Puppe erstarrt war. Wie paralysiert saß sie da und starrte in
den Raum hinein. Einzig ihre Augenlider blinzelten.
    »Emilie?
Geht es Ihnen gut? Hallo, Emilie?«
    Der Pinguin
watschelte mit zwei kleinen Glasschüsseln in Richtung ihres Tisches, in einem Moment,
wo Martin ihn am liebsten auf den Mond geschossen hätte. Nicht jetzt, mitten in
einem ›psychogenen Anfall‹.
    »Hat es
Ihnen nicht geschmeckt?«
    »Wie bitte?«
Martin blickte abwechselnd vom Kellner zu Emilie. Er war einem Kreislaufkollaps
nahe. Emilie rührte sich nicht mehr, und der Kerl leierte seine albernen Floskeln
runter.
    »Alles gut.«
    »Ihnen auch?«
Die Frage war an Emilie gerichtet, die sich nicht bewegte.
    »Stimmt
etwas nicht mit ihr?«
    Martin rastete
aus. Er stand ruckartig auf.
    »Nehmen
Sie den Scheiß mit und halten Sie die Klappe!«
    »Na, hören
Sie mal. Man wird ja wohl noch fragen dürfen.«
    »Nein, dürfen
Sie nicht, und jetzt hauen Sie endlich ab. Bringen Sie die Rechnung.«
    Der Kellner
trollte sich und beschloss, am nächsten Tag zu kündigen. Diesen Job bis zu seinem
Lebensende? Nein, das konnte es wirklich nicht sein.
    Martin ging
zu Emilie und wollte ihr einen Arm um die Schulter legen. Kurz bevor er sie berührte,
nahm er von dieser Idee Abstand. Unerfahren in psychologischen Dingen, spekulierte
er, wie diese Situation eskalieren könnte: ein lang anhaltendes, hysterisches Schreien,
Anhalten der Luft, Blauanlaufen und vom Stuhl fallen? Martin schwitzte. Er wusste
ja nicht, dass, wenn Emilie überfordert war, sie nicht mit derlei Symptomen reagierte.
Sie stellte sich einfach nur für eine Weile tot, wie als Kind, nur dass sie heute
saß statt lag. Sie hatte in einen Stand-by-Modus geschaltet, jenen energiesparenden
Ruhezustand, den sie so lange aufrechterhielt, bis irgendeine graue Zelle in ihrem
Gehirn Entwarnung gab.
    Martin sah,
dass sie atmete. Das war gut. Sie saß aufrecht wie ein Fahnenmast und tat nichts,
außer zu atmen. Ansonsten war sie nicht mehr ansprechbar. Ob sie in diesem Zustand
ihre Umwelt noch wahrnahm, konnte nicht einmal Dr. Schillig beantworten. Es war
wie eine Art Wachkoma, mit dem Unterschied, dass sie vermutlich selbst entschied,
wann sie aufwachen wollte und wann nicht.
    Die Tabletten .
»Mist!«, fuhr es aus Martin heraus. Die gelben Dinger, die Schillig ihm ans Herz
gelegt hatte. Er hatte sie zu Hause vergessen. »Verfluchter Mist!«, schimpfte er
erneut.
    Martin kramte
in seiner Tasche herum und riss sein Handy hervor. Er schaltete es ein, und die
Sekunden bis zum Erwachen des Gerätes waren ihm viel zu

Weitere Kostenlose Bücher