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Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Gustmann
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sollte er das getan haben?«
    »Er mag
mich nicht.«
    »Aber nur,
weil er Sie nicht mag, stiehlt er Ihnen doch nicht den Brief des Professors. Das
reicht nicht aus. Was hat er denn davon?«
    »Das weiß
ich nicht. Aber ich weiß, dass er mich nicht mag. Will, dass ich sterbe.«
    Martin wusste,
dass er an diesem Punkt vorsichtig sein musste. Mit Menschen, die einen Suizid hinter
sich hatten, konnte man nicht reden wie mit völlig normalen. Man wusste nie, ob
das Thema für den Betreffenden erledigt war oder ob er auf dem Sprung in den nächsten
Selbstmordversuch war.
    Dennoch
wagte er einen Versuch. »Aber Sie wollten es doch auch. Und zwar schon öfter.«
    »Klar, warum
auch nicht? Haben Sie noch nie daran gedacht zu verschwinden?« Martin hatte mit
einer derartigen Frage nicht gerechnet, sah aber keinen Grund, ihr nicht die Wahrheit
zu sagen. »Doch, das habe ich. Aber eben nur daran gedacht. Ich habe es nicht durchgezogen
so wie Sie.«
    Emilie wedelte
mit den Händen, als wolle sie Fliegen verscheuchen. »Ist keine große Sache, geht
ganz schnell.«
    »Aber sie
ist so verdammt endgültig, Ihre nicht so große Sache. Wenn es mal klappt, gibt es
kein Zurück mehr. Weg ist weg und tot ist tot und niemand ist bisher zurückgekommen.«
    »Warum sollte
man zurückkommen wollen? Was ist hier denn so toll, dass es sich lohnt, zurückzukommen?«
    Martin dachte
nach. Unwiderruflich zu verschwinden? Auf Nimmerwiedersehen? Er schüttelte den Kopf
bei diesen Erwägungen. »Nun, ich finde das Leben eigentlich ganz okay. Manchmal
ist es Mist, zugegeben, doch im Großen und Ganzen finde ich es ganz gut.« Martin
zog die Beine zum Körper heran und umklammerte sie mit den Armen. Er begann zu frieren.
    »Okay, Sie
vielleicht. Aber was ist mit mir? Ich lebe, seitdem ich denken kann, in Heimen,
Krankenhäusern und Irrenanstalten. Ich hatte nie einen Mann, wollte ich auch nicht,
aber trotzdem. Ich hatte nie Sex und all diesen Unsinn. Und keine Kinder. Ich habe
nie was Richtiges gelernt außer Lesen und Schreiben.«
    Emilie machte
eine Pause und schien in die Ferne zu blicken. »Und doch kenne ich alles. Ich weiß,
wovon Sie reden, aber eben nur aus den Büchern.« Emilie Braun hob die Hand wie zu
einem Gruß. »Stellen Sie sich vor: Ich war schon überall auf der Welt. Ich kenne
jeden Winkel, aber ich weiß nicht … wie es sich anfühlt, das Leben.« Emmis Blick
verlor sich in der Weite des Raumes. Dann beugte sie sich vor. »Also!«, forderte
sie Martin beinahe wütend auf. »Nennen Sie mir einen Grund, warum ich noch auf dieser
bescheuerten Erde bleiben sollte.« Martin stand auf und ging ein paar Schritte.
Er war erstaunt über diesen unerwarteten Wutausbruch und musste Zeit gewinnen. Eine
solche Frage war nicht mal eben beantwortet. Sein Blick fiel auf die Regalwand.
Spontan fiel ihm eine Antwort ein:
    »Es gibt
garantiert noch Bücher, die Sie noch nicht gelesen haben.« Martin war sich sicher,
dass er sie damit überzeugt hatte, doch sie drehte sich auf dem Boden zu den Büchern
um und meinte:
    »Ich habe
Ihnen doch gesagt, dass ich sie alle gelesen habe. Eins nach dem anderen. Es gibt
keins mehr, das ich nicht kenne.«
    »Ja, hier!«,
erwiderte Martin zügig. »Aber da draußen gibt es noch Tausende.« Martin deutete
mit einer ausladenden Geste die Größe der Erde an. Dann fügte er hinzu: »Es gibt
so viel, für das es sich lohnt, am Leben zu bleiben. Die Natur ist schön, okay,
nicht gerade jetzt, in dieser Jahreszeit, zugegeben, aber dort, wo ich die letzten
zwei Jahre war, ist es wunderschön. Es gibt Tiere und Pflanzen, die Sonne, das Meer.
Ja, genau. Was ist mit dem Meer?« Martin hastete in der Bibliothek umher. Gestikulierend
entwickelte er sich zu einem Advokaten, der ein Plädoyer auf das Leben und dessen
Schönheit hielt. »Es gibt so viele Gelegenheiten und Momente, in denen man glücklich
ist. Die Summe der Kleinigkeiten ist es, die das Leben lebenswert macht.« Plötzlich
fiel ihm auf, wie sich seine Stimmung besserte. Er hatte zu sich selbst gepredigt.
    »Zeigen
Sie’s mir?«, fragte Emmi und eine gewisse Traurigkeit schwang in ihrer Frage mit.
    »Was soll
ich Ihnen zeigen?«
    »Na, das
Meer. Sie haben mich gefragt, was mit dem Meer ist. Ich hab keine Ahnung, was mit
dem Meer ist. Ich war noch nie dort. Ich hab auch noch keine Berge gesehen, nur
ein Mal, aus dem Zug heraus, als wir von München nach Bremen fuhren, aber das ist
schon so lange her.«
    Martin wurde
in Gedanken zu seinem Hotel in Ecuador

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