Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)
Worte, die diese Kehle jemals verlassen wollten, erstickt
waren.
Kapitel 4
Hamburg-Fuhlsbüttel, 1. November
2010
Martin Pohlmann winkte träge zurück.
Es war kurz vor drei Uhr am Nachmittag, als er seinen Kollegen und seinen ehemaligen
Chef hinter der Absperrung erblickte. 24 Stunden Transfer lagen hinter ihm, und
er war sich nicht wirklich sicher, ob er sich auf ein Wiedersehen freuen sollte.
Während der Landung hatte er aus dem Fenster geschaut und, während die bemüht freundliche
Stimme des Piloten eine Ansage machte, hiesiges Wetter wahrgenommen. Mit Skepsis
betrachtete er die wartenden Menschen. Dann war es so weit.
Hauptkommissar
Lorenz schüttelte die blasse Hand seines Exmitarbeiters überfreundlich. Er fragte
sich, wie man sich in einer derartigen Situation verhielt.
Werner Hartleib
blieb zurückhaltender.
Beide sprachen
nicht aus, worüber sie sich wunderten: Pohlmann war käsebleich, hatte eine Vielzahl
von Pickeln und Pusteln in unterschiedlichen Stadien wie ein Pubertierender im Gesicht,
und jenes war ums Doppelte aufgedunsen als noch vor 22 Monaten. Der Bauch ebenso.
Sein schrilles Outfit gab den Rest.
»Mensch,
Pohlmann, gut sehen Sie aus«, log Lorenz.
Pohlmann
lachte auf. »Geben Sie sich keine Mühe, Chef. Ich seh furchtbar aus, das weiß ich
genau. Sonnenallergie am ganzen Körper.« Pohlmann schüttelte den Kopf. »Ist nicht
witzig in so einer Umgebung.«
Schnell
hatte sich die Frage nach einem Fehlen eines Bildes des Pächters des Hotels auf
der Homepage geklärt. Lorenz, der Pohlmann des Öfteren heimlich beneidet hatte,
grinste verstohlen.
»Hi, Werner.
Na, wie geht’s?« Werner Hartleib und Martin sahen sich in die Augen und schüttelten
sich die Hände.
»Ganz okay.
Alles beim Alten.«
Martin nickte.
»Bist schlanker geworden. Gehste immer noch joggen?«
»Nächstes
Jahr mach ich ’nen Marathon. Hab acht Kilo runter.« Martin Pohlmann sah neidisch
an Werners flachem Bauch herab.
Während
sie den Ausgang passierten, weinte der Himmel zur Begrüßung. Die drei Polizisten
betraten den Gehweg und Pohlmann betrachtete gequält die große Pfütze, die sie bis
zum Wagen überwinden mussten.
Nachdem
Pohlmann selig eine Zigarette geraucht hatte, stiegen sie in den Polizeiwagen, der
in erster Reihe parkte.
Die Fahrt
verlief sonderbar: Zu Beginn noch oberflächliches Geplänkel, denn niemand wollte
darüber reden, was wirklich in Ecuador passiert war. Untreue Partnerin statt ewiger
Sex, Langeweile statt Müßiggang, Handtücher klauende Hotelgäste statt Paradies,
Pickel statt Bräune. Lorenz sah in den Rückspiegel und fand Pohlmann schlafend vor.
Jetlag.
Lorenz und
Hartleib bogen in die Straße ein, in der Pohlmann zwei Jahre zuvor gewohnt hatte.
Sie gingen davon aus, dass sich an der alten Adresse nichts geändert hatte, und
hielten im Prätoriusweg 17 in Eimsbüttel. Lorenz drehte sich auf dem Fahrersitz
zu Pohlmann um und schüttelte den Kopf. Der Mund seines Fahrgastes stand offen,
und kehlige Schnarchgeräusche übertönten den Motor.
Hartleib
rüttelte am Knie des Kollegen und weckte ihn mit lauter Stimme. »Hey, Martin, wir
sind da.«
Pohlmann
schreckte aus seinem Traum und richtete sich auf. Er sah aus dem linken und rechten
Fenster und begriff recht spät, wo er sich befand. Dann nickte er grunzend. Er kratzte
sich an seinem Kopf und das Haar glänzte fettig. Der Flug musste wirklich sehr lang
gewesen sein.
»Danke fürs
Abholen. Okay, dann werd ich mal.« Pohlmann öffnete die Tür des Dienstwagens und
schälte sich aus dem Fond heraus. Lorenz und Hartleib stiegen auch aus. Lorenz holte
das Gepäck aus dem Kofferraum, während Hartleib Pohlmann verstohlen musterte.
Lorenz stellte
die Koffer auf den Gehweg. »Ich weiß, Sie würden sich gern erst mal so richtig ausschlafen
und ein paar Tage wieder eingewöhnen, aber ich muss Sie bitten, morgen früh ins
Präsidium zu kommen.«
Pohlmann
zog den Griff aus dem Trolli. »Der Fall, den Sie am Telefon angedeutet haben?«
Lorenz nickte.
»Ist neun
okay?«
»Meinetwegen«,
meinte Lorenz. Eigentlich wäre ihm acht Uhr lieber gewesen, doch in Anbetracht der
Umstände …
»Dann bis
morgen.« Pohlmann drehte sich um, nahm den zweiten Trolli an die andere Hand und
ging zur Tür des Mehrfamilienhauses. Es begann heftig zu regnen. Pohlmanns Blick
verfinsterte sich. Vor der Tür begann er nachzudenken, in welchem Gepäckstück er
die Hausschlüssel verstaut hatte. Er konnte sich nicht einmal daran erinnern, ob
er sie
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