Rasterfrau: Knobels achter Fall (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
und Ihnen Kraft schenkt. Versprechen kann ich nichts. Das muss Ihnen klar sein.«
Maxim Wendel hob erstaunt die Augenbrauen.
»Es gibt etliche Unstimmigkeiten«, bestätigte Trost. »Ich muss gestehen, dass ich mir erst jetzt, nach – sagen wir, zweiter Betrachtung – Fragen stelle, die zumindest Zweifel an der bisher so eindeutig scheinenden Beweislage begründen.«
»Ach, ja?«, wunderte sich Wendel. »Hat sich das Rätsel der Flasche gelöst? – Sie haben mir doch immer wieder gesagt, dass letztlich alles auf diese verdammte Flasche hinausläuft, auf der meine Fingerabdrücke sein sollen, die ich aber nie angefasst habe.«
»Sie müssen Sie angefasst haben, Herr Wendel«, antwortete Trost ruhig. »Daran führt kein Weg vorbei. Aber vielleicht ist die Geschichte eine andere als bisher angenommen.«
»Was ich die ganze Zeit gesagt habe, Herr Rechtsanwalt«, schnaubte Wendel.
»Ob eine Sache als bewiesen gilt oder nicht, ist manchmal auch eine Frage der Beurteilung von Lebenswahrscheinlichkeiten«, erklärte Trost. »Sehen Sie es als Signal, dass ich mehr und mehr geneigt bin, den ganzen Fall neu zu durchdenken.«
»Manche Handlungsabläufe sind anders denkbar als vom Gericht angenommen«, übernahm Stephan, »und meine Hoffnung ist, dass ich bald weitere Bausteine finde, aus denen sich dann die Wahrheit ergibt. Wir wissen, dass der Standort der Staffelei Gossmanns nicht zu dem von ihm gemalten Motiv passt. Wir wissen im Weiteren, dass Ihre Darstellung der zeitlichen Abfolge ab dem Zeitpunkt, von dem an Sie Michelle Crouchford bis zu dem angeblichen sexuellen Übergriff begleitet haben, richtig sein kann. Denn es ist denkbar, dass Frau Crouchford ein Wundspray in einer kleinen Tasche mit sich führte. Überprüft wurde das leider nie. Wenn dies so war, hat Michelle Crouchford gelogen, und das wiederum macht nur Sinn, wenn sie Sie belasten wollte, was wiederum nur dann erklärbar ist, wenn sie die versuchte Vergewaltigung nur vortäuschte. Dann würde diese Täuschung jedoch auch dafür sprechen, dass Frau Crouchford – und nicht Sie, Herr Wendel – etwas mit Gossmanns Tod zu tun hat.«
»Das behaupte ich seit Jahren«, wiederholte Wendel kopfschüttelnd.
»Ich weiß, aber wir finden jetzt Anhaltspunkte, dass es so gewesen sein könnte. – Auffallend ist, dass Michelle Crouchford vom Erdboden verschwunden zu sein scheint. Sie ist polizeilich nirgends gemeldet. Die von ihr angegebene frühere Adresse in Leipzig scheint jedenfalls nie ihre Wohnadresse gewesen zu sein. Es handelt sich um eine feine luxuriöse Villa, die offensichtlich seit längerer Zeit als Bordell genutzt wird.«
»Die Crouchford als Nutte, das kann doch sein!«, rief Wendel erregt. »Wer weiß, für was man sie alles kaufen kann.«
»Wie gesagt: Es sind erste Anhaltspunkte. Es gibt noch viel zu tun. Wir sind noch lange nicht am Ziel. Ich möchte mit Ihnen noch über eine andere Sache sprechen.«
»Ja?« Wendel blinzelte Stephan unsicher an.
»Sie haben sich selbst als Filou bezeichnet, kokettieren in gewisser Weise mit Ihrer Neigung, ständig Frauen eines bestimmten Typs anzusprechen. Ich möchte von Ihnen eine ehrliche und klare Antwort auf die folgende Frage: Gab es jemals Ihrerseits auch nur ein einziges Mal irgendeine Handlung gegenüber einem Mädchen oder einer Frau, die einen sexuellen Bezug hatte? – Ihre Frau natürlich ausgenommen. Ich will wissen, ob Sie in dieser Hinsicht nur ein Sprücheklopfer sind. Tun Sie sich den Gefallen, und seien Sie wirklich ehrlich, Herr Wendel! Sie befanden sich in Therapie, ist das richtig?«
»Therapie?«, fragte Trost irritiert.
»Noch nicht eine Therapie im eigentlichen Sinne, aber eine Selbsthilfegruppe, die sich zusammengefunden hat, um Persönlichkeitsdefizite aufzuarbeiten«, stellte Stephan richtig. »Also eine Gruppe von Menschen, die bei sich bestimmte Defekte erkannt und deshalb Hilfe gesucht haben. Hier haben Sie Ihre spätere Frau Sarah kennengelernt, ist das richtig?«, fragte Stephan.
Maxim Wendel nickte.
»Davon wusste ich nichts«, sagte Trost verblüfft.
»Hätte es denn etwas genutzt?«, blaffte Wendel. »Was hätten Sie gesagt, Herr Dr. Trost? Hätte mir irgendeiner geglaubt, dass meine ganzen markigen Sprüche in der Schule letztlich nur dummes Getue waren? Ich war doch längst vorverurteilt! Es gab einen Schulleiter, der begierig jeden vermeintlichen Vorfall in sich aufsog und peinlich genau notierte. Ich war zu naiv, zu blind und zu vernagelt, um zu erkennen, dass
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