Ratgeber & Regenten 02 - Das Wehr
begegneten. Du hattest dich aber auch als Illusionistin ausgegeben, wie soll ich das also wissen?«
Enttäuschung brandete auf, verschwand aber sofort wieder. Tzigone hatte durch Vorsicht überlebt. Wenn diese Frau einst Keturah gewesen war, würde sie sich genauso zurückhaltend benehmen. Diese Wiedervereinigung – sofern es denn eine war – mußte unbedingt in kleinen Schritten vor sich gehen.
Sie sah die hübsche Magierin an, konnte aber nichts entdecken, was sie an ihr eigenes Gesicht erinnerte. »Ich frage mich, wie ich mit Eurem Haar aussähe.«
Sinestra reagierte mit einem panischen Blick und griff sich mit beiden Händen in die schwarzen Locken. »Vergiß es! Du hast schon gesagt, daß ich es behalten darf!«
Tzigone mußte kichern. »Ich wollte es nicht für eine Perücke abschneiden. Ich habe es bloß bewundert. Vielleicht gehe ich zu einem Illusionisten und lasse ihn einen Zauber auf mich sprechen.«
Ein kurzes Aufblitzen von Gefühlen in Sinestras dunklen Augen wich schnell wieder dem Ausdruck leicht amüsierter Langeweile. Sie strich über ihr glänzendes Haar. »Dies ist alles meines. Es reicht mir bis zu den Knien, wenn ich es herablasse.«
Eine schwache Erinnerung stürzte auf Tzigone ein, ein Bild ihrer Mutter, wie sie mit ihr spielte und flüchtigen Lichtkugeln nachlief. Ihr offenes Haar folgte ihr wie ein seidiger Schatten.
»Ja«, sagte Tzigone mit leicht erstickter Stimme. »Das kann ich mir gut vorstellen.«
* * *
Mehrere Tage lang versuchte Matteo, die Bitte des Königs zu befolgen und seiner Herrin nach Kräften zu dienen. Beatrix brauchte seinen Rat nicht. Sie schlug seine Bitte um eine Audienz aus.
Statt dessen ließ sie einen beständigen Strom aus Kunsthandwerkern, Handwerkern und Magiern durch ihr Laboratorium fließen, während Matteo mit jeder Stunde, die verstrich, ungehaltener wurde.
Eines Morgens konnte er sich nicht länger beherrschen. Er verließ den Palast noch vor Sonnenaufgang durch die Küche und bahnte sich dabei einen Weg durch die Händler, die zum Palast kamen, um die Vorräte aufzustocken. Er wich einer Schar Gänse aus und nickte höflich, aber gedankenverloren dem Mädchen zu, das die Gänse vor sich her trieb und ihn freundlich gegrüßt hatte.
Ein Blick zur aufgehenden Sonne trieb ihn zur Eile. Procopio Septus verließ sein Landhaus üblicherweise früh morgens. Der Magier würde sich Matteos Fragen weder in seinem Heim in der Stadt noch im Palast gerne anhören, aber vielleicht würde er auf dem Weg dorthin freier sprechen.
Während seines Dienstes bei Procopio war Matteo oft diesen Weg gegangen. Er sah den Magier, als der noch einige Straßen vom rosafarbenen Marmorpalast der Stadt entfernt war.
»Meister Procopio!«
Der Erkenntniszauberer blickte auf. Sein Lächeln war langsam und aufgesetzt, seine schwarzen Augen verrieten nichts darüber, was er dachte oder fühlte. »Der Held von Akhlaurs Sumpf ist also zurückgekehrt! Eine abtrünnige Bluthündin entlarvt, einen Laraken geschlagen, eine Nation von Magier-Fürsten gerettet. Bei den Göttern, Matteo! Du hast vor drei Monden meine Dienste verlassen, und so verbringst du deine Zeit? Ich dachte, ich hätte dich besser geschult.«
Matteo mußte unwillkürlich lachen. »Wäre ich länger in Euren Diensten geblieben, hätte ich wohl einen geschlosseneren Teppich gewebt. Die Ränder dieser Geschichte sind leider ausgefranst.«
Procopio hob eine weiße Braue. »Schmeichelei, Scharfsinn. Ein glatter Übergang vom Scherz über das Kompliment hin zum eigentlichen Thema. Du lernst schnell, junger Jordain. Welche losen Enden gibt es, von denen du glaubst, ich könnte dir helfen, sie zu verknüpfen?«
»Ihr wißt, daß die Elfeninquisitorin Kiva zum Tempel des Azuth gebracht wurde«, sagte Matteo und wählte seine Worte mit großer Sorgfalt, um nicht seinen Eid zu brechen. »Ich nehme an, Ihr wißt, um welche Themen es ging.«
Procopios Züge verhärteten sich, und er brauchte einen Moment, bevor er antwortete. »Wie die Weisen seit langem wissen, war das Geheimnis hinter der Ausdehnung des Sumpfs ein Leck in einem Portal zur Ebene des Wassers. Die Gegenwart des Laraken machte es schwierig, sich dieses Lecks anzunehmen. Jede Magie, die gegen dieses Monster zum Einsatz kam, machte es nur stärker. Wenn umgekehrt das Leck geschlossen worden wäre, hätte sich der Laraken gezwungen gesehen, anderswo nach magischer Nahrung zu suchen. Letztlich wäre die Kreatur vernichtet worden, doch der Schlag, den die
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