Ratgeber Übergewicht
nach die amerikanischen Lebensweisen übernommen haben. Was – glauben Sie – hat am längsten gedauert? Das Essverhalten war erst in der vierten (!) Generation verändert.
Wir nehmen eine Scheibe Brot, streichen Streichfett darauf. Das haben wir unzählige Male gemacht. Es ist schwer, diese Gewohnheit zu ändern. Vor allem: Ein Seminar, in dem uns erklärt wird, dass wir Streichfett sparen und besser Senf als „Klebstoff“ für die Wurst nehmen können, hilft kaum weiter. Das gewohnte Verhalten wird sich durchsetzen. Dagegen kommt Wissen nicht an.
Essverhalten ist reguliert durch Gewohnheiten, es ist in Reiz-Reaktionsketten eingebunden, auch der Körper speichert Vorlieben und Aversionen, so dass der Kopf allein nur ganz schwer die beabsichtigten Änderungen veranlassen kann. Doch die Chance für Veränderungen besteht, denn unser Essverhalten ist ein gelerntes Verhalten. Was gelernt wurde, kann auch umgelernt werden. So wie ich durchaus lernen kann, ohne Probleme im englischen Linksverkehr zu fahren.
Die Ernährungsaufklärung, die seit über 50 Jahren in Deutschland richtige Ernährung propagiert, hat auch zu sehr den Kopf angesprochen. Sie hat Wissen vermittelt. Aber nicht das Verhalten verändert. Die Deutschen essen unverändert, doch (und das hat die Ernährungsaufklärung bewirkt) essen viele das, was sie essen, mit schlechtem Gewissen. Sie kennen das auch, der Blick geht über den Teller, der Kopf denkt: „Das solltest Du lieber nicht essen“. Und dann gibt es gute Gründe, es doch zu tun. Es schmeckt gut, ist bezahlt, andere essen es auch … und, und, und.
3.8 Wie kann Verhalten verändert werden?
Die Verhaltenspsychologie hat viele Jahrzehnte geforscht, um herauszubekommen, wie Verhalten gelernt und Verhalten wieder verlernt wird. Auch Eltern versuchen das Verhalten ihrer Kinder zu steuern und nutzen ganz intuitiv Lob für erwünschtes und Strafe für unerwünschtes Verhalten. Im Grunde funktioniert das auch. Konsequenzen, die auf Verhalten hin folgen, bestimmen darüber, ob genau dieses Verhalten häufiger oder seltener wird.
So ist das mit dem Essverhalten auch. Auch hier gilt, dass der gute Geschmack als angenehmes Erlebnis das Verhalten belohnt und damit häufiger werden lässt. Gerichte, die nicht schmecken, uns also mit ihrem Geschmack „bestrafen“, werden wir in Zukunft nicht mehr essen. Doch wir müssen noch daran denken, welche unangenehmen Folgen das Essen haben kann: z. B. Übergewicht. Diese unangenehmen Folgen allerdings erleben wir erst viel später, damit büßen sie ihre Wirksamkeit ein. Das kennt bereits der Volksmund: „Der Spatz in der Hand ist mir lieber als die Taube auf dem Dach“.
Damit ist das Dilemma beim Essen beschrieben: Das gute Essen schmeckt jetzt, die Folgen werden erst sehr viel später erlebt. Die Fachleute sprechen hier von „ungünstigen Kontingenzverhältnissen“. Darunter „leiden“ auch alle gut gemeinten Ratschläge für präventiv-gesundheitliches Verhalten. „Wenn Sie so weiter essen, sterben Sie am Herzinfarkt“ , droht der Doktor. Doch sein Ratschlag läuft wegen ungünstiger Kontingenzverhältnisse ins Leere, denn der Herzinfarkt tritt erst „am Ende des Lebens“ ein, während das „gute Essen“ heute bereits mundet.
Wir Menschen sind darauf bedacht, unsere Lebensqualität „heute“, und nicht „morgen“ zu optimieren. Kluge Ratschläge verlangen auch immer einen gehörigen Belohnungsaufschub, der nicht geleistet wird. Wenn die Mutter zu ihrer sechsjährigen Tochter sagt: „Kind, Du musst unbedingt Milch trinken, damit Du nicht, wenn Du so alt bist wie Oma, an Osteoporose leidest “, dann ist dieser Ratschlag richtig, aber wirkungslos, denn diese Mutter verlangt von ihrer Tochter einen Belohnungsaufschub über mindestens 50 Jahre.
Ein Beispiel: Wer gerne und zu oft beim Fernsehen Erdnüsse knabbert, schiebt sich die Nüsse oftmals „ganz unbewusst“ in den Mund. Das tut der Figur nicht gut. Statt Erdnüsse nun Gemüsestifte hinzustellen, trübt die Lustbilanz. Mein Tipp: Man kann so viele Erdnüsse essen, wie man will, doch die Spielregel heißt: Erdnüsse werden nur hinter dem Fernseher geknabbert. Dann ist das Bild weg („Bestrafung“), aber der Ton informiert noch gerade. Aus dieser Konstellation wird sich ergeben, dass weniger Nüsse gegessen werden – vor allem, weil auch kein schlechtes Gewissen erlebt wird. Die Lustbilanz wird nur etwas beeinträchtigt und zwingt zur Entscheidung: Nüsse oder Bild?
Verhalten
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