Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rattenkoenig

Rattenkoenig

Titel: Rattenkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
Vom Netzwerk:
über den Standort des Radios. Es geschah nichts, außer daß die versprochene Rückkehr zu normalen Rationen widerrufen wurde. Das Lager dämmerte wieder dahin und durchwartete die langen Tage, die von dem Mangel an Verpflegung noch länger wurden. Aber alle wußten, daß man wenigstens das Neueste erfahren würde. Keine Gerüchte, sondern echte Nachrichten. Und diese waren sehr gut. Der Krieg in Europa war beinahe zu Ende.
    Aber dennoch lag es wie ein Bahrtuch über den Männern. Nur wenige hatten Lebensmittelvorräte. Und die guten Nachrichten hatten auch einen Haken. Wenn der Krieg in Europa zu Ende wäre, dann würden mehr Truppen in den Pazifikraum geschickt werden. Vielleicht würde man das japanische Mutterland angreifen. Und ein solcher Angriff würde die Gefängniswächter zu Berserkern machen. Repressalien! Sie alle wußten, daß es nur ein Ende für Changi gab.
    Peter Marlowe ging auf die Hühnerställe zu, und die Wasserflasche baumelte an seiner Hüfte. Mac, Larkin und er waren übereingekommen, es wäre vielleicht am sichersten, wenn sie die Wasserflaschen so viel wie möglich bei sich trügen. Für den Fall, daß plötzlich eine Durchsuchung stattfinden sollte.
    Er war in guter Stimmung. Das verdiente Geld war zwar längst dahin, aber der King hatte ihm als Vorschuß auf künftige Verdienste Lebensmittel und Tabak gegeben. Mein Gott, was für ein Mann, dachte er. Wenn er nicht wäre, würden Mac, Larkin und ich ebenso hungern wie alle anderen in Changi.
    Es war heute kühler als sonst. Der Regen hatte gestern den Staub niedergeschlagen. Es war beinahe Mittagessenszeit. Als er sich den Hühnerställen näherte, beschleunigte er seinen Schritt. Vielleicht gab es heute ein paar Eier.
    Dann blieb er verdutzt stehen.
    In der Nähe des Hühnerauslaufs, der Peter Marlowes Einheit gehörte, hatte sich ein kleiner Menschenauflauf gebildet, eine wütende, gewalttätige Menge. Zu seiner Überraschung sah er, daß Grey dabei war. Vor Grey stand Oberst Foster, der bis auf sein schmutziges Lendentuch nackt war, wie ein Irrer auf und ab hüpfte und schrille und unzusammenhängende Beschimpfungen auf Johnny Hawkins ausstieß, der schützend seinen Hund an die Brust drückte.
    »Hallo, Max«, sagte Peter Marlowe, als er direkt vor des King Hühnerstall stand. »Was ist denn hier los?«
    »Hallo, Peter«, antwortete Max leichthin und schob den Rechen in seinen Händen hin und her. Er bemerkte Peter Marlowes unwillkürliches Zusammenzucken bei der Anrede ›Peter‹. Offiziere! Versucht man, einen Offizier wie einen gewöhnlichen Menschen zu behandeln und ihn mit dem Vornamen anzureden, wird er gleich wild. Der Teufel soll die Bande holen. »Ja. Peter.«
    Er sagte es absichtlich nochmals, nur so, als Bestätigung. »Seit einer Stunde ist hier der Teufel los. Es scheint, daß Hawkins' Hund in den Auslauf des alten Knackers geraten ist und einer seiner Hennen die Kehle durchgebissen hat.«
    »Nein!«
    »Man wird ihm den Kopf abreißen, das steht fest.«
    Foster schrie gellend: »Ich will eine neue Henne, und ich will Schadenersatz. Das Biest hat eines meiner Kinder getötet. Ich verlange Anklage wegen Mordes.«
    »Aber, Oberst«, beschwichtigte Grey, der am Ende seiner Geduld angelangt war. »Es war doch eine Henne und nicht ein Kind. Sie können doch nicht Mordanklage …«
    »Meine Hühner sind meine Kinder, Sie Idiot! Huhn, Kind, was ist da schon für ein Unterschied? Hawkins ist ein Mörder!«
    »Hören Sie mal, Oberst«, erwiderte Grey wütend. »Hawkins kann Ihnen keine andere Henne geben. Er hat erklärt, daß es ihm leid tut. Der Hund hat sich von der Leine losgerissen …«
    »Ich verlange eine Kriegsgerichtsverhandlung. Für Hawkins, den Mörder, und seinen Köter, den Mörder!« Vor Oberst Fosters Mund stand Schaum. »Das verdammte Biest hat meine Henne getötet und hat sie gefressen. Es hat sie gefressen, und von einem meiner Kinder sind nur noch Federn übriggeblieben.«
    Wütend schoß er plötzlich auf Hawkins zu, die Hände ausgestreckt, die Finger wie krallenbewehrte Klauen gekrümmt, schlug auf den Hund in Hawkins Armen ein und schrie gellend: »Ich bringe Sie mitsamt Ihrem verfluchten Biest um.«
    Hawkins wich Foster aus und stieß ihn weg. Der Oberst fiel zu Boden, und Rover winselte ängstlich.
    »Ich habe gesagt, daß es mir leid tut«, brachte Hawkins erstickt hervor. »Wenn ich das Geld hätte, würde ich Ihnen gerne zwei oder auch zehn Hühner schenken, aber ich kann es nicht. Grey« –

Weitere Kostenlose Bücher