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Rattenkoenig

Rattenkoenig

Titel: Rattenkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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uns allen einen großen Dienst erweisen.«
    Peter Marlowe zögerte. »Also gut.«
    »Ich kann Ihnen gar nicht genug danken, alter Junge.« Rodrick fuhr sich über die Stirn und ging durch den Höllenspektakel voran zur Rückseite des Theaters, Peter Marlowe folgte widerwillig im Schlepp. Der King ging geistesabwesend hinterher, seine Gedanken waren immer noch damit beschäftigt, wie und wann und wo er den Ausbruch wagen sollte.
    Sie standen in dem kleinen Gang. Voll Unbehagen klopfte Peter Marlowe an. »Ich bin es, Peter. Kann ich reinkommen, Sean?«
    Sean hörte ihn durch den Nebel von Entsetzen; zusammengesunken lag er mit dem Kopf auf den Armen auf dem Frisiertisch. Er stand auf und riegelte die Tür auf; die Tränen zogen Bahnen in sein Make-up. Peter Marlowe trat zögernd in den Ankleideraum. Sean schloß die Tür.
    »Ach, Peter. Ich kann einfach nicht mehr. Mich hat es umgehauen. Ich bin fertig«, sagte Sean hilflos. »Ich kann nicht mehr so tun als ob, ich kann es nicht mehr. Ich bin verloren, verloren. Lieber Gott, hilf mir doch!« Er vergrub das Gesicht in den Händen. »Was soll ich nur tun? Ich kann es nicht mehr ertragen. Ich bin nichts. Nichts!«
    »Schon gut, Sean, Menschenskind«, sagte Peter Marlowe von tiefem Mitleid ergriffen. »Du brauchst dir doch keine Sorgen zu machen. Du bist sehr wichtig. Die wichtigste Person im ganzen Lager, wenn die Wahrheit bekannt würde.«
    »Ich möchte, ich wäre tot.«
    »Das ist zu einfach.«
    Sean drehte sich um und sah ihn an. »Sieh mich an. Um Himmels willen, sieh mich an! Was bin ich! Sag mir, um Gottes willen, was bin ich?«
    Ob er wollte oder nicht, Peter Marlowe sah nur ein Mädchen vor sich, ein Mädchen in ergreifender Qual. Und das Mädchen trug einen weißen Rock und Schuhe mit hohen Absätzen, und die langen Beine steckten in Seidenstrümpfen, und unter der Bluse sah man die Schwellung von Brüsten.
    »Du bist eine Frau, Sean«, sagte er hilflos. »Gott mag wissen wie – oder warum –, aber du bist es tatsächlich.«
    Und dann wich das Entsetzen von Sean und der Haß auf sich selbst und die Qual. »Danke, Peter«, sagte Sean. »Ich danke dir von ganzem Herzen.«
    Ein zaghaftes Klopfen an der Tür ertönte. »In zwei Minuten beginnt die Vorstellung«, rief Frank besorgt durch die Tür. »Kann ich reinkommen?«
    »Einen Augenblick.« Sean ging zum Frisiertisch, wischte sich die Tränenspuren ab, besserte das Make-up aus und starrte auf sein Spiegelbild. »Komm rein, Frank.«
    Der Anblick Seans verschlug Frank wie immer den Atem. »Du siehst großartig aus«, sagte er. »Geht's?«
    »Ja. Ich glaube, ich habe mich ein bißchen dumm benommen. Entschuldigung.«
    »Du bist einfach überarbeitet«, erwiderte Frank und verbarg seine Besorgnis. Er warf einen Blick zu Peter Marlowe hinüber. »Hallo. Freut mich, Sie zu sehen.«
    »Hallo.«
    »Frank, mach dich jetzt lieber fertig«, sagte Sean. »Mir geht es jetzt wieder gut.«
    Frank fühlte sich ganz von dem Lächeln des Mädchens durchdrungen und verfiel automatisch in die Schablone, die er und Rodrick vor drei Jahren geschaffen und seither immer wieder bitter bereut hatten. »Du wirst wunderbar sein, Betty«, sagte er und schloß Sean in die Arme. »Ich bin stolz auf dich.«
    Aber jetzt waren die beiden plötzlich anders als all die zahllosen Male vorher, sie waren plötzlich Mann und Frau, und Sean lehnte sich entspannt gegen Frank und bedurfte seiner mit jeder Faser seines Wesens. Und Frank wußte es.
    »Wir – wir treten in einer Minute auf«, sagte er mit unsicherer Stimme und war über die Plötzlichkeit des in ihm aufsteigenden Verlangens erschüttert. »Ich – ich muß mich fertigmachen.« Er ging weg.
    »Ich – eh … gehe jetzt wohl am besten auf meinen Platz zurück«, sagte Peter Marlowe tief beunruhigt. Er hatte den zwischen den beiden überspringenden Funken mehr gefühlt als gesehen.
    »Ja.« Aber Sean bemerkte Peter Marlowe kaum.
    Eine letzte Prüfung des Make-up, und dann wartete Sean hinter den Kulissen auf sein Stichwort, von der üblichen, mit Entsetzen gemischten Ekstase gepackt. Dann trat Sean hinaus und wurde. Die Hochrufe und die Bewunderung und die Begierde überströmten sie – Augen folgten, als sie sich setzte und ihre Beine übereinanderschlug, als sie ging und redete – Augen griffen nach ihr, berührten sie, berauschten sich an ihr. Sie und die Augen wurden eins.
    »Major«, sagte Peter Marlowe, als er, der King und Rodrick hinter den Kulissen standen und zusahen,

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