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Rattenkoenig

Rattenkoenig

Titel: Rattenkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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Bombers Flecken und Narben hatte. Seine Klasse bestand nur aus vier Schülern, und diese waren Idioten, die kein Interesse am Unterrichtsstoff hatten. Er wußte, daß er den Unterricht nur zur Beschwichtigung seiner eigenen Unentschlossenheit weiterführte; es war leichter, so zu tun, als wäre der Unterricht ein Erfolg, als ihn einzustellen. Am Anfang war er hell begeistert gewesen, aber inzwischen wußte er, daß die Arbeit ihm nur als Vorwand diente. Und wenn er die Klasse aufgäbe, würde es für ihn in diesem Leben kein Ziel mehr geben.
    Vor langer Zeit hatte das Lager eine Universität ins Leben gerufen. Die Universität von Changi. Klassen wurden eingerichtet. Die hohen Tiere hatten es so angeordnet. »Das tut der Truppe gut«, hatten sie erklärt. »Die Leute bekommen etwas zu tun. Laßt sie sich selbst bessern. Zwingt sie, beschäftigt zu sein, dann werden sie auch nicht in Schwierigkeiten geraten.«
    Es gab Kurse in Sprachen und Kunst und Ingenieurwesen – unter den damals hunderttausend Männern gab es mindestens jeweils einen, der irgendein Fach beherrschte.
    Das Wissen über diese Welt. Eine großartige und günstige Gelegenheit. Seinen Horizont erweitern. Einen Beruf erlernen. Sich auf das Utopia vorbereiten, das kommen würde, wenn der verfluchte Krieg erst einmal zu Ende und alles wieder normal war. Und es war eine Universität wie im alten Athen. Es gab keine Klassenräume. Nur einen Lehrer, der sich einen Platz im Schatten suchte und seine Studenten um sich scharte.
    Aber die Gefangenen von Changi waren nur einfache Männer, deshalb blieben sie einfach faul auf ihrem Hintern hocken und erklärten: »Morgen werde ich in eine Klasse eintreten.« Oder sie traten in eine Klasse ein, und wenn sie dann entdeckten, daß Wissen mühsam zu erwerben ist, ließen sie eine Unterrichtsstunde aus, und noch eine Unterrichtsstunde, und dann versicherten sie: »Morgen werde ich wieder hingehen. Morgen werde ich mit dem anfangen, was ich hinterher sein möchte. Ich darf keine Zeit verlieren. Morgen werde ich wirklich beginnen.«
    Aber in Changi gab es ebenso wie anderswo nur das Heute.
    »Wollen Sie wirklich in meine Klasse eintreten?« wiederholte Vexley ungläubig.
    »Sind Sie auch sicher, daß wir Ihnen keine Ungelegenheiten bereiten, Sir?« fragte der King herzlich.
    Vexley erhob sich, seine Anteilnahme wuchs, und er machte für sie einen Platz im Schatten frei.
    Er war entzückt, frisches Blut bei sich zu sehen. Und dazu noch den King! Mein Gott, was für ein Fang! Der King in seiner Klasse! Vielleicht hat er ein paar Zigaretten … »Ich freue mich, mein Junge, ich freue mich sehr.« Er drückte warm des King ausgestreckte Hand. »Staffelführer Vexley!«
    »Freut mich, Sie kennenzulernen, Sir.«
    »Leutnant Marlowe, fliegendes Personal«, stellte Peter Marlowe sich vor, als auch er die Hand reichte, und setzte sich dann in den Schatten.
    Vexley wartete nervös, bis sie saßen, preßte geistesabwesend den Daumen in den Handrücken und zählte die Sekunden, bis der Eindruck in der Haut sich langsam wieder füllte. Für die Pellagra wurde man hie und da entschädigt, dachte er. Und da er gerade an Haut und Knochen dachte, fielen ihm die Wale ein, und sein Glotzauge leuchtete auf. »Also, heute wollte ich etwas über Wale erzählen. Wissen Sie etwas über Wale? – Ah«, machte er verzückt, als der King eine Packung Kooa herauszog und ihm anbot. Der King reichte die Packung bei den anderen herum.
    Die vier Studenten nahmen sich jeder eine Zigarette und rückten beiseite, um dem King und Peter Marlowe mehr Platz zu machen. Sie fragten sich, was der King, zum Teufel, hier suchen mochte, aber es war ihnen eigentlich gleichgültig – er hatte ihnen ja eine aktive Zigarette gegeben.
    Vexley setzte seine Vorlesung über Wale fort. Er liebte Wale. Er liebte sie bis zur Raserei.
    »Wale sind ohne Zweifel die höchste Form, die die Natur angestrebt hat«, verkündete er und war hoch erfreut über den Klang seiner Stimme. Er bemerkte des King Stirnrunzeln. »Hatten Sie eine Frage?« erkundigte er sich eifrig.
    »Doch, ja. Wale sind ja ganz interessant, aber wie steht es mit Ratten?«
    »Wie bitte?« fragte Vexley höflich und verständnislos.
    »Sehr interessant, was Sie da über Wale gesagt haben, Sir«, versicherte der King. »Ich habe mir nur gerade über Ratten Gedanken gemacht. Das ist alles.«
    »Was ist denn mit Ratten?«
    »Ich habe mir gerade Gedanken gemacht, ob Sie wohl etwas darüber wüßten«,

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