Rau ist die See ...
Westafrika-Route gefahren sind. Dort hat er wahrscheinlich die Verbrecher kennengelernt, bei denen er immer noch auf einer illegalen Lohnliste steht. Jedenfalls dürfte Nelligan mehr Geld mit Betrügereien verdienen als mit ehrlicher Arbeit. Er zockt nämlich mehr als genug Menschen ab, meinen Vater beispielsweise hat er ausgenommen wie eine Weihnachtsgans.“
Jade stockte der Atem. Jetzt ahnte sie, warum Peter an Bord gekommen war. „Dein Vater ist betrogen worden?“
„Das ist noch milde ausgedrückt. Er ist arm wie eine Kirchenmaus, seine Firma musste Konkurs anmelden. Er hat sich auf eine unseriöse Finanztransaktion eingelassen. An die Hintermänner kommt man nicht heran. Der einzige von den Verbrechern, den man in die Finger kriegen könnte, ist Nelligan.“
„Du musst unheimlich sauer auf ihn sein, Peter. Willst du ihn, äh …“ Jade wagte es nicht, den Satz zu vollenden.
Peter lachte freudlos auf. „Du meinst, ob ich ihm den Hals umdrehen will? Nein, ich bin kein Mörder. Allerdings weiß ich nicht, ob ich mich beherrschen kann, wenn ich ihm gegenüberstehe. Mehr als eine Ohrfeige oder einen Kinnhaken hat er von mir nicht zu befürchten. Aber eigentlich bin ich an Bord gekommen, weil ich Beweismaterial suche. Das will ich dann der Staatsanwaltschaft übergeben. Es ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn ein kleiner Fisch wie Nelligan geschnappt wird. Das Vermögen meiner Familie bekomme ich dadurch nicht zurück. Aber man muss die Nigeria-Connection bekämpfen, wo es nur möglich ist.“
„Wäre das nicht eigentlich Aufgabe der Polizei?“, fragte Jade etwas zögernd.
„Ja, du hast recht. Die Beamten tun auch, was sie können. Aber die Polizei muss sich an Gesetze halten. Sie konnten Nelligan nichts nachweisen. Und die norwegische Polizei kann nicht einfach auf einem britischen Kreuzfahrtschiff in internationalen Gewässern nach Beweisen suchen. Ich schon.“
Jade legte ihre Hand auf seinen Unterarm. Durch den Jackenstoff hindurch fühlte sie seine Wärme. „Ich glaube dir, Peter. Nelligan kenne ich übrigens, ich bin ihm einmal kurz begegnet. Ich hätte nicht geglaubt, dass er in Verbrechen verwickelt ist. Aber das sieht man den Leuten wohl nicht an der Nasenspitze an.“
„Nein, wahrscheinlich nicht. Was für einen Eindruck hattest du von ihm?“ Peter sah sie aufmerksam an.
„Er wirkte irgendwie – nichtssagend. Ein Mann, dessen Gesicht man sofort wieder vergisst.“
Er presste die Lippen aufeinander. „Ich möchte Nelligan jedenfalls vor Gericht auf der Anklagebank schwitzen sehen. Er kennt mich nicht, und er weiß nicht, dass ich hinter ihm her bin. Das sind meine Vorteile. – Sag mal, du hast vorhin von einem Mord gesprochen, Jade. Wie war das gemeint?“
Jade überlegte nicht lange. Peters Geschichte von der Nigeria-Connection klang glaubhaft. Er hatte sich ihr anvertraut, also konnte sie das Gleiche tun. Außerdem war sie froh, endlich mit jemandem darüber reden zu können. Jade atmete tief durch, dann erzählte sie Peter von Ann Brockwell, von dem Videotagebuch und der Bluttat, deren Zeugin Ann geworden war.
Peter hörte ruhig zu und nickte schließlich. „Demnach wusste Ann, wer der Mörder war. Aber den Namen hat sie auf dem Video nicht genannt?“
„Ja, sie kannte den Täter. Da bin ich mir sicher. Ich verstehe nur nicht, warum niemand das Opfer vermisst!“
„Das finde ich gar nicht so verwunderlich, Jade. Wahrscheinlich war der Ermordete als blinder Passagier an Bord, genau wie ich. Das würde erklären, warum sein Verschwinden niemandem aufgefallen ist.“
Natürlich! Jade ärgerte sich, weil ihr diese naheliegende Erklärung nicht eingefallen war. Sie sah, dass Peter noch etwas sagen wollte, aber in diesem Moment wurde eine Luke geöffnet und gleich darauf wieder geschlossen. Stimmen ertönten, jemand hustete.
Jade und Peter stoben sofort auseinander. Er warf ihr noch lächelnd eine Kusshand zu, dann verschwand er wie ein Schatten in der Nacht. Auch Jade ging den Leuten, die auf Deck frische Luft schnappen wollten, aus dem Weg. Sie hatte jetzt keine Lust auf eine oberflächliche Plauderei.
Obwohl ihr angesichts der ernsten Lage alles andere als danach zumute war, lächelte Jade, während sie zu ihrer Kabine ging. Sie hatte sich in Peter nicht getäuscht. Er war zwar illegal an Bord, aber jetzt zweifelte Jade nicht mehr daran, dass es richtig war, ihm zu helfen. Wenn diesem Betrüger Nelligan das Handwerk gelegt werden konnte, dann würde die
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