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Raum in der Herberge

Raum in der Herberge

Titel: Raum in der Herberge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Klose
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dagegen, und weil Roland, wie ich
bereits mehrfach mitbekommen hatte, zu echten Diskussionen nicht fähig war,
glitt der Schlagabtausch bald ins Absurde ab.
    „Ich halt das nicht mehr aus“,
sagte ich irgendwann und flüchtete in Begoñas Lokal an einen Tisch mit netten
Pilgern. Später kam Roland dazu, gab sich leutselig, wobei er mich allerdings
ignorierte, mir nur kurz zuknurrte : „Morgen bringe
ich dich nach Mansilla.“
    „Nicht nötig, ich fahre lieber
allein dahin.“
    Als ich in die Herberge
zurückkehrte, saß Roland in der dunklen Küche und legte, soweit das beim Licht
der Straßenlaternen von draußen möglich war, Patiencen. Ich versuchte, schon
ahnend, dass es sinnlos war, noch einmal mit ihm zu reden.
    „Ich lass mich auf keine
Diskussionen ein, denn dabei kann ich nur verlieren“, bockte er, „und dir fehlt
die Solidarität.“ Weiter argumentieren zwecklos — ich stieg in mein Zimmerchen
hinauf, sackte ratlos auf mein Bett. Was war da eigentlich tatsächlich passiert
— welcher seltsame Film lief nun ab — konnte ich den noch irgendwie stoppen?
Schließlich packte ich meine Sachen, um am Morgen keine Zeit zu verlieren, und
schlief miserabel in dieser Nacht, hin- und hergerissen zwischen dem Impuls,
wegzugehen oder stand zu halten. Im Grunde entsprach
es ganz und gar nicht meiner Natur, etwas auf sich beruhen zu lassen. Selbst in
aussichtslosen Situationen meinte ich noch, kämpfen und durchhalten zu müssen,
hatte mir dabei oft — sinnbildlich gesprochen — das Kreuz gebrochen.
    Aber womöglich war das jetzt
eine weitere Lektion, die ich auf dem Camino lernen sollte: auch mal aufgeben
können und etwas, das man nicht ändern kann, auf sich beruhen zu lassen.
Deshalb musste ich wohl noch mal nach Azofra kommen, um mir eben diese Lektion
abzuholen.
    Wenn Roland sich noch oft
solche Ausraster leistete, sägte er sich den Ast, auf
dem er saß, irgendwann selber ab. Und so Leid mir das tat, war ich doch nicht
diejenige, der es zustand, ihn davon abzuhalten, war nicht seine
Lebensgefährtin oder Geschäftspartnerin, nicht einmal eine Freundin. Ich war
lediglich eine freiwillige Hospitalera, die ihn bei seiner Arbeit unterstützen
wollte, aber nicht um den Preis von bedingungsloser Solidarität, sogar dann
wenn er Pilger schlecht behandelte.
    Um sechs Uhr stand ich auf,
putzte direkt hinter den aufbrechenden Pilgern her, war fertig, kaum dass der
letzte die Herberge verlassen hatte. Typisch cabeza cuadrada , pflichtbewusst bis zum Schluss, eigentlich hätte
ich den Kram genauso gut liegen lassen können.
    Roland war nirgendwo zu sehen.
Ich nahm meinen Rucksack, schloss das Haus ab und ging in die Bar Sevilla.
Begoña deutete mein Gepäck richtig.
    „Du gehst, Elisabeth?“
    Ich schilderte ihr knapp, was
vorgefallen war, meinte bedauernd: „Irgendwie kenne ich Roland nicht mehr
wieder. Er war bisher ein netter jovialer Typ — aber jetzt ist er voller Gift
und Galle.“
    Begoña seufzte, wahrscheinlich
wusste sie mehr, als sie mir sagen wollte. „Roland hatte es nicht leicht in den
letzten Wochen. Er ist supergestresst und sehr nervös.“
    „Aber das ist kein Freibrief
für Ungerechtigkeit und schlechtes Benehmen.“
    Ich zuckte die Achseln, Begoña
auch, schob mir mit kummervoller Miene einen Milchkaffee und ein großes Stück
Kuchen hin. Sie war glücklich gewesen, mich wiederzusehen, hatte sich auf
unsere Frauengespräche gefreut, ließ mich darum nun nur ungern ziehen, verstand
aber, dass ich nicht bleiben konnte.
    Draußen kam gerade Roland von
irgendwoher zurück. Ich ging hinterher, um ihm den Schlüssel zurück zu geben.
Er machte eine unbestimmte Handbewegung, die wohl bedeuten sollte: Hättest ihn
auch wegschmeißen können.
    Das war’s. Ich schulterte
meinen Rucksack und machte mich davon. Im Gehen rief ich Wolf in Mansilla auf
dem Handy an, schüttete mein Herz aus.
    „Komm hierher“, meinte er
schlicht.
    „Aber könnt ihr mich denn jetzt
schon brauchen?“
    „Das ist die dümmste Frage, die
ich je gehört habe“, sagte Wolf und in seiner Stimme lag so viel Wärme, dass es
mir die Tränen in die Augen trieb. „Hier ist genug zu tun, aber hetz dich nicht
ab, nimm dir noch ein bisschen Zeit auf dem Camino — auf jeden Fall bist du
willkommen.“ Eigentlich war mein Rucksack viel zu schwer, um eine längere
Strecke damit zu wandern, schließlich hatte ich als Hospitalera wesentlich mehr
Sachen dabei denn als Pilgerin. Aber ich wollte zumindest ein, zwei Kilometer
auf dem

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