Raumschiff 2 - Nancia
verlieren.«
»Sie ist im Unrecht, weißt du«, bemerkte Polyon zu Fassa.
»Vier von euch müssen verlieren. In diesem Spiel wird es nur einen einzigen Sieger geben.« Dann ging auch er, drehte sein schwarzes Minihedron zwischen zwei Fingern und summte
leise vor sich hin.
FASSA
Die glitzernden schwarzen Flächen des Minihedrons blitzten im Scheinwerferlicht der Zentralkabine, als Fassa ihren Arm in diese und in jene Richtung drehte, um die Wirkung der
völligen Schwärze vor dem Bündel aus Silber-und
Prismaholzschmuck zu bewundern. Das Hedron war so
schwarz wie Fassas eigenes seidiges Haar und ihre geschrägten Augen, ein bewunderungswürdiger Kontrast zur Bleichheit ihrer eingecremten und verwöhnten Haut. In seiner harten, glänzenden Perfektion sah sie ein Miniaturbild ihrer selbst…
schön, undurchdringlich…
Eine Hülle voller gefährlicher Geheimnisse.
Fassa starrte die spiegelglatten Flächen des Minihedron an und erblickte ihr eigenes Gesicht, wie es in ein halbes Dutzend Richtungen gleichzeitig widergespiegelt und verzerrt wurde, ein zerschmettertes Selbst, das dort hinausblickte, gefallen in den schwarzen Spiegeln, die ihre wunderschönen Gesichtszüge zu einer Maske des Schmerzes und des stummen Schreis
verzerrten.
Nein! Das bin ich nicht – das kann nicht ich sein. Sie ließ den Arm sinken; die klimpernden Silberglocken am Armband
gaben einen einzigen, dissonanten Ton von sich. Sie stieß sich von der seltsamen Titansäule ab, die so viel Kabinenplatz vergeudete, und schwebte in eine Ecke zwischen den
Displayschirmen und einem Lagerschrank. »Schirme löschen«, befahl sie dem Schiff.
Das blendende Display der SPACED-OUT-Grafiken
verblaßte, um einer schwarzen Leere zu weichen, die den Oberflächen des Minihedron glich. Fassa starrte in die Flachbildschirme, die Lippen geöffnet, bis die Spiegelung ihrer eigenen Schönheit sie beruhigt hatte. Ja, sie war immer noch so schön, wie sie stets geglaubt hatte. Die verzerrten Reflektionen des Minihedron waren nur eine Illusion gewesen wie die Träume, die sie im Schlaf heimsuchten, Träume, in denen ihr wunderschönes Gesicht und ihr vollkommener Körper sich schälten, um die verschrumpelte, erbärmliche Kreatur darunter zu offenbaren.
Beruhigt streichelte sie das Amulettarmband mit zwei
Fingern, bis sie die scharfe, facettierte Oberfläche des Minihedrons berührte. Ich behalte meine Geheimnisse für mich, und du die deinen, kleine Schwester. Solange sie den Schild ihrer vollkommenen Schönheit zwischen sich und der Welt wußte, fühlte Fassa sich in Sicherheit. Niemand konnte durch ihn hindurch auf das wertlose Ding im Inneren blicken.
Nur wenige versuchten es; alle waren sie viel zu betört von der Außenfassade. Männer waren nur kleine Narren, und sie hatten nichts Besseres verdient, als daß man ihre eigene Torheit gegen sie richtete. Wenn sie ihr Verlangen nach ihr nutzen konnte, um sich zu bereichern, um so besser. Die Götter wußten, daß sie in der Vergangenheit einen viel zu hohen Preis für ihre Schönheit bezahlt hatte!
Mama, Mama, mach, daß er aufhört! jammerte eine Kinderstimme aus den hintersten Verstecken ihres Geistes.
Fassa lachte säuerlich bei der Erinnerung an diese Torheit. Wie alt war sie damals gewesen? Acht, neun? Jung genug, um zu glauben, daß ihre Mutter einem Mann wie Raul del Parma y Polo die Stirn würde bieten können, ihn von etwas abbringen könnte, was er wirklich haben wollte – beispielsweise von seiner eigenen Tochter. Mama hatte die Augen geschlossen und das Gesicht abgewandt. Sie wollte nicht wissen, was Raul ihrem schönen kleinen Mädchen antat.
Häßliches kleines Mädchen. Schmutziges kleines Mädchen, flüsterte eine andere Stimme.
Dennoch war es Mama gewesen, die dem Ganzen ein Ende
gesetzt hatte – in gewisser Weise. Zu spät zwar, aber immerhin
– ihr spektakulärer und öffentlicher Selbstmord hatte Rauls Privatspiele mit seiner Tochter beendet. Mama war im
zweiundvierzigsten Stock vom Balkon gesprungen, war auf die Terrassen des Regis Galactic Hotel gestürzt, mitten hinein in die extravagante Jahresfeier der Firma von Raul del Parma, zu der wirklich sämtliche Klatschberichterstatter zu kommen pflegten. Und die Nachrichten und die Gerüchte und die Andeutungen im Zusammenhang mit dem Selbstmord von del Parmas Frau hatten noch wochenlang die Nachrichtenstrahlen beherrscht. Warum hatte sie sich umgebracht? Raul del Parma konnte einer Frau doch alles bieten. In ihrer
Weitere Kostenlose Bücher