Raumschiff 2 - Nancia
Augen in einem braungebrannten Gesicht, mit einem Netzwerk von
Falten um die Augen, als sei er daran gewöhnt, alles, was er sah, sehr genau anzublicken; Spuren von Rot und Orange im ergrauenden Haar; eine entspannte Körperhaltung, als sei er darauf vorbereitet, sofort in jede beliebige Richtung
davonzugehen. Kann sein, daß er genügt. Aber ein Caleb ist er nicht!
»Du scheinst mir bemerkenswert fit für jemanden zu sein, der gerade eine Kur in Sommerland macht«, meinte Nancia
schließlich.
Forister schnitt eine Grimasse. »Oh, fit bin ich schon, falls es das gewesen sein sollte, was dir Sorgen macht, FN. In der Sommerlandklinik war ich nicht aus medizinischen Gründen.«
»Was dann? In den Anweisungen, die man mir gegeben hat, hieß es, daß du dort in Behandlung wärst.«
»Na ja, so nennen die das eben«, antwortete Forister
seltsamerweise, während Nancia sich fragte, ob dieser Mann überhaupt jemals eine klare Antwort gab, wenn man ihn etwas fragte. Vielleicht wurde einem das im diplomatischen Dienst ja abgewöhnt.
Schließlich ließ er sich noch zu einem Zusatz bewegen, den man als Erklärung gelten lassen konnte. »Mein letzter Auftrag für CenDip war… sagen wir einmal: aufreibend, und es ist nicht so gut gelaufen, wie ich gehofft hatte.«
»Charon?« fragte Nancia.
Der Pilot zuckte kurz zusammen, war überrascht. »Nein, nein. Warum – ach so, ich erinnere mich. Ich hatte ja einmal die Ehre, von dir nach Charon transportiert zu werden, nicht wahr? Ist schon ein paar Jahre her – damals warst du CN-935, wie ich mich erinnere. Mein Beileid wegen des Verlusts deines Partners.«
»Der ist nur vorübergehend ausgeschaltet«, antwortete
Nancia. »Ich möchte dich beim Auspacken ja nicht drängen, aber sobald du fertig bist, möchte ich dich bitten, die Bewachung der Gefangenen zu übernehmen. Sev Bryley wird in der Sommerlandklinik gebraucht, um nach meinem Piloten zu sehen.«
»Wie du wünschst.« Forister knallte zwar nicht die Hacken zusammen, vollführte aber immerhin eine vollkommene
Verneigung in die Richtung der Titansäule. Er machte auf dem Absatz kehrt, holte seine Taschen aus dem offenen Aufzug und marschierte den Gang entlang zur Kabine des Piloten – zu Calebs Kabine –, was Nancia mit dem Gefühl zurückließ, unangenehm barsch gewesen zu sein. Sie schaltete einen Lautsprecher in der Kabine an.
»Wenn du nichts dagegen hast, können wir unser Gespräch fortsetzen, während du auspackst.«
»Kein Einwand«, antwortete Forister. Jetzt war er etwas außer Atem, nachdem er die schweren Taschen auf seine
Pritsche gehievt hatte. Was um alles in der Welt nahm dieser Mann nur auf Reisen mit? Ein Vermögen in Korytiumbarren, verborgen unter seiner Unterwäsche? Die ersten Gegenstände, die er aus den Taschen hervorholte, sahen ganz normal aus: ein CenDip-Galaanzug und Hemden zum wechseln,
Toilettenartikel und eine Handvoll laserbedruckter Datenhedra.
Er mochte vielleicht keine Einwände haben, aber sonderlich entgegenkommend war er auch nicht gerade. Na ja, sie selbst war ja auch nicht so freundlich gewesen, wie es hätte sein können. Es lag an ihr, den ersten Schritt zu machen. »Was war denn dann dein letzter Auftrag, wenn nicht Charon? Und weshalb hast du dir das Sommerland ausgesucht?«
»Das Sommerland hat einen guten Ruf als
Erholungseinrichtung«, erläuterte Forister. »Ich denke, du machst dir unnötig Sorgen wegen deines früheren Piloten; das medizinische Personal dort ist von allerbester Qualität.«
»Um deren technisches Können mache ich mir auch keine
Sorgen«, erzählte Nancia. In Fassas Kabine gab es eine Bewegung. Sie hatte die Sensoren dort auf Monitorstufe gehalten; nun aktivierte Nancia sie und sah, daß Sev
eingetreten war, um mit Fassa zu reden. Diesmal war das Mädchen angekleidet, und sie saßen einander auf den Kojen gegenüber. Nancia glaubte nicht, daß Sev ernsthafte Probleme bekommen würde. Dennoch zeichnete sie ihre leise
Unterhaltung auf und hörte mit einem Ohr zu, während sie Forister beobachtete und sich wünschte, daß er doch etwas schneller auspacken würde. Jetzt war er bis zur untersten Schicht seiner ersten Tasche vorgestoßen, und nun konnte sie endlich sehen, was sein Gepäck so schwer machte: nichts als ein Haufen Antiquitäten. Ein antikes Buch nach dem anderen, Kilo um Kilo, und mit Sicherheit enthielten sie alle zusammen kaum mehr Informationen, als sich in ein paar Facetten eines Datahedrons hätten speichern lassen!
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