Raumschiff 3 - Tia
konzentrierte er seine Aufmerksamkeit ausschließlich auf das
geheimnisvolle Buch aus Metallplatten, das er aus der Höhle mitgebracht hatte.
Darin waren irgendwelche Glyphen eingeätzt, die den rechten Rand einer jeden Platte einnahmen, während der linke aus einem merkwürdig matt polierten Streifen bestand. Am
wichtigsten aber war, daß die Mitte jeder Seite von
Nadelstichmustern bedeckt war, die eigentlich nur
Sternenkonfigurationen wiedergeben konnten. Nachdem sie schon so viel Zeit mit dem Studium von Sternenkarten
verbracht hatten, hatten beide sofort erkannt, daß es sich um Navigationshilfen handeln mußte. Doch wofür? Und welcher war der Referenzpunkt? Tia sah keine Möglichkeit, das
festzustellen.
Und wer hatte das Buch überhaupt hergestellt? Die Glyphen kamen ihr irgendwie vertraut vor, aber sie wußte sie doch nicht genauer zu bestimmen.
Das Rätsel war faszinierend genug, um Alex zu beschäftigen, aber nicht Tia. Es war nur zu leicht, viel Zeit damit
zuzubringen, über ihren Piloten zu sinnieren. Wie er
zusammengesackt in seinem Sessel lag, das Gesicht
angespannt, ein einziges Licht, das auf seinen Kopf und das Artefakt herabstrahlte, während der Rest der Kabine in
Dunkelheit lag – oder wie er auf einen Schirm voller Daten blickte…
Wie eine Szene aus einem Holothriller. Der Held, der auf Zeit spielte, bereit, unter der Belastung zusammenzubrechen, sich seine Verwundbarkeit aber nicht anmerken lassen wollte; oben die wartenden Feinde. Unschätzbare Daten in ihren
Händen, Daten, die der Gegner auf keinen Fall bekommen
durfte. Der Held, wie er an die Geliebte dachte, die er zurückgelassen hatte, sich fragte, ob er sie jemals wiedersehen würde…
Verdammt! Damit kam Tia auch nicht weiter.
Sie konnte nicht in der Kabine auf und ab gehen, sie konnte nicht an den Nägeln nagen, sie konnte nicht einmal lesen, um sich abzulenken. Schließlich aktivierte sie einen Servoroboter und schickte ihn diskret in Alex’ Kabine, um sie
sauberzumachen. Seit sie die Basis verlassen hatten, war sie nicht mehr gereinigt worden; in der Regel pflegte Alex alles in Schränke und Schubladen zu stopfen und sie wieder zu
schließen. Sie konnte seine Kleider jetzt nicht reinigen – doch sobald sie die Meute abgeschüttelt hätten…
Sofern die zweite Lawine und der Blizzard nicht zu viel Schnee auf sie getürmt hatten, um noch starten zu können.
Inzwischen waren es schon acht Meter und nicht mehr vier.
Wenn es noch sehr viel mehr wurde, würde ihre Schubkraft möglicherweise nicht mehr reichen.
Hör auf. Wir kommen schon hier raus.
Vorsichtig säuberte sie jede Schublade und jeden Schrank, ersetzte, was nicht schmutzig war, und ließ den Servo den Rest entführen. Vorsichtig, weil Alex zwischen seine Kleidung jede Menge Dinge gestopft hatte.
Doch nie hätte sie erwartet, einen Holowürfel unter der Bettdecke zu entdecken.
Einen Holowürfel – von ihr.
Mit den Greifern des Servos drehte sie den Würfel nach allen Seiten, wechselte die Bilder, erkannte sie alle wieder. Szenen von ihr, vor ihrer Erkrankung; die Geburtstagsparty, in Positur mit Theodor Bär…
Wie sie in ihrem brandneuen Druckanzug vor einem mit
EsKa-Glyphen bedeckten Mauerfragment stand – das war
komisch gewesen; Mum hatte Dad deswegen aufgezogen, weil er die Kamera aus schierer Gewohnheit auf die Glyphen
eingestellt hatte. Tia war nur zur Hälfte auf dem Bild zu sehen, die Glyphen dafür aber schön deutlich.
Es traf sie wie ein Stromstoß. Die Glyphen. Dort hatte sie sie zum erstenmal gesehen! Sicher, sie waren in Stein gehauen gewesen und nicht geätzt. Sie waren in einer Art Kursivschrift gehalten, während die Schrift in dem Buch kantig war…
aber…
Tia führte einen kurzen Vergleich durch. »Alex!« flüsterte sie aufgeregt. »Schau mal!«
Sie brachte die Glyphen aus dem alten Holo auf ihren
Schirm, als er den Blick hob, legte darüber die Graphik der dritten Buchseite. Abgesehen von stilistischen Unterschieden deckten sie sich vollkommen.
»EsKas«, murmelte er in ehrfürchtigem Ton. »Alle
Raumgeister – dieses Buch wurde von den EsKas
geschrieben!«
»Ich glaube, diese Höhlen und Gebäude müssen von
irgendeiner Rasse erschaffen worden sein, die die EsKas kannte«, erwiderte sie. »Aber selbst wenn dem nicht so sein sollte… Alex, jede Wette, daß dieser kleine Kartensatz die Heimatwelt der EsKas zeigt, wenn man ihn nur dechiffrieren könnte!«
»Das würde Sinn ergeben«, meinte er nach kurzer
Weitere Kostenlose Bücher