Raumschiff 3 - Tia
mit stärkerer Betonung in der Stimme, als Kenny sie bei ihm je gehört hatte. »Ich denke, sie würde den Übergang nicht nur schaffen, sie würde ihn auch gut bewältigen.«
Kenny stieß wieder die Luft aus, die er angehalten hatte.
»Körperlich steht sie nicht schlechter da als viele der Teilnehmer des Hüllenmenschenprogramms«, fuhr Lars fort.
»Ehrlich gesagt, Kenny, sie verfügt über soviel Potential, daß es ein Verbrechen wäre, sie für den Rest ihres Lebens in einem Krankenhauszimmer verrotten zu lassen.«
Die sorgfältige Beherrschung, die Lars für gewöhnlich über seine Stimme hatte, war verschwunden; es lag eine
Leidenschaft in seinen Worten, die Kenny bei ihm noch nie erlebt hatte. »Sie hat dich wohl auch berührt, wie?« fragte er trocken.
»Ja«, preßte Lars die Antwort hervor. »Und ich schäme mich dessen auch nicht. Es macht mir nichts aus dir einzugestehen, daß sie mich zu… na ja, beinahe zu Tränen gerührt hat.«
»Gut für dich.« Kenny rieb sich die Hände, wärmte die kalten Finger. »Denn ich werde mich wieder deiner Raffinesse
bedienen müssen.«
»Du hast wohl wieder vor, eine schnelle Nummer
abzuziehen, wie?« fragte Lars in ironischer Belustigung.
»Nur ein paar Fäden. Was nützt es mir, einen Intellekt
stellaren Ausmaßes zu haben, wenn ich es nicht ausnutzen kann?« fragte er rhetorisch. Er schloß die Sichtluke und drehte seinen Stuhl so, daß er auf das Pult blicken konnte, wo er an seinem Terminal einige Tasten betätigte und es direkt mit Lars und einer sehr persönlichen Datenbank koppelte. Eine mit der Bezeichnung ›Gefallen‹. »Also gut, mein Freund, dann machen wir uns an die Arbeit. Zunächst einmal: An wessen Fäden könntest du reißen? Und dann die Frage: Wer hat auf der politischen Seite Einfluß auf das Programm, wer schuldet mir am meisten, und wer wird am frühesten hier eintreffen?«
Ein Sektorengeneralsekretär kroch nicht im Staub und wurde auch nicht überschwenglich, doch als Quintan Waldheim-Querar y Chan zu Kennys großer Befriedigung an Bord der Stolz von Albion kam, verlangte er sofort, nachdem die offiziellen Inspektionen und üblichen Routinen absolviert waren, mit dem brillanten Neurologen zu sprechen, dessen Arbeit seinen Neffen vor dem gleichen Schicksal wie Kenny selbst bewahrt hatte. Er wußte bereits das meiste darüber, was es über Kenny und seine kometenhafte Karriere zu wissen gab.
Und Quintan Waldheim-Querar y Chan war kein Mensch, der einem unbequemen Thema aus dem Weg ging.
»Etwas ironisch, nicht wahr?« meinte der Generalsekretär nach dem festen Händedruck mit einem Blick auf Kennys
Moto-Rollstuhl. Er stand auf und zerrte nicht verlegen an seiner konservativen dunkelblauen Jacke.
Kenny lächelte nicht, tat aber zufrieden einen tiefen
Atemzug. »Was, daß meine Verletzung praktisch identisch mit der von Peregrin war?« erwiderte er sofort. »Überhaupt nicht ironisch, mein Herr. Es war genau die Tatsache, daß ich mich in dieser Lage vorfand, die mich dazu bewegte, in die
Neurologie zu gehen. Ich will gar nicht behaupten, daß nicht auch jemand anders eine Antwort auf diese Leiden gefunden hätte, wenn ich nicht verletzt worden wäre und so hart daran geforscht hätte. Medizinische Forschung beruht schließlich darauf, daß man auf früheren Arbeiten aufbaut.«
»Aber ohne Ihr spezielles Interesse wäre das Problem
möglicherweise zu spät gelöst worden, um Peregrin zu
nützen«, entgegnete der Generalsekretär. »Und es war ja auch nicht nur Ihre Technik, es war auch Ihr Können, was ihn mit durchzog. Das läßt sich nicht kopieren – jedenfalls nicht auf diesem Gebiet. Deshalb habe ich auch diesen Besuch in die Wege geleitet. Ich wollte Ihnen danken.«
Kenny zuckte mit den Schultern. Das war die vollkommenste Eröffnung, die er je im Leben mitangesehen hatte – und er hegte nicht die Absicht, sich diese Gelegenheit entgehen zu lassen. Nicht jetzt, da die Antwort auf Tias Gebete in seinem Büro festsaß.
»Ich kann nicht immer gewinnen, mein Herr«, sagte er
tonlos. »Ich bin kein Gott. Obwohl es Zeiten gibt, da ich mir inbrünstig wünschte, einer zu sein, und im Moment ist eine solche Zeit.«
Die Miene des Generalsekretärs wurde ernst. Er war nicht nur ein bedeutender Mann, weil er ein hervorragender
Verwaltungsbeamter war, sondern weil er eine menschliche Seite hatte. »Ich nehme an, daß Ihnen ein bestimmter Fall Kummer macht?« Und dann sprach er die Zauberworte aus:
»Vielleicht kann ich
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