Raumschiff 3 - Tia
professionelle Distanz.«
Der Generalsekretär kniff ein paarmal die Augen zusammen, um seine eigenen Tränen zu vertreiben. »Weshalb wird denn nichts für dieses Kind unternommen?« fragte er mit heiserer Stimme.
»Wir haben alles getan, was wir können… jedenfalls hier«, erklärte Kenny. »Die einzige Möglichkeit, diesem armen Kind so etwas wie ein Leben zu bescheren, würde darin bestehen, sie in ein Schalenprogramm zu integrieren. Aber die Psychiater an der Laborschule scheinen zu glauben, daß sie dafür zu alt sei. Sie wollten nicht einmal jemanden zu einer Prüfung herschicken, obwohl die Eltern sie darum baten und wir auch entsprechende Empfehlungen ausgesprochen hatten…«
Vielsagend brach er ab. Der Generalsekretär warf ihm einen scharfen Blick zu. »Und Sie sind offensichtlich nicht dieser Meinung?«
Kenny zuckte mit den Schultern. »Das ist nicht nur meine Meinung«, ergänzte er geschmeidig. »Es ist auch die Meinung der Stabspsychiaterin, die ihr zugeteilt ist, des
Hüllenmenschen, der diese Station leitet, und einer Freundin von ihr, die als Gehirnschiff im Kurierdienst tätig ist. Sie war es auch«, fügte er delikat hinzu, »die ihr diesen kleinen Bären geschenkt hat.«
Die Erwähnung des Bären gab schließlich den Ausschlag. Er konnte es an der Miene des Generalsekretärs ablesen. »Das wollen wir doch mal sehen«, meinte der Generalsekretär. »Die Leute, mit denen Sie gesprochen haben, haben auch nicht auf alles eine Antwort – und ganz bestimmt nicht das letzte Sagen.« Er stand auf und reichte Kenny wieder die Hand. »Ich will Ihnen nichts versprechen – aber seien Sie nicht überrascht, falls in den nächsten Tagen jemand von der Laborschule hier eintrifft, um das Mädchen zu untersuchen. Wie schnell könnten Sie sie transportfähig machen, falls sie sie nehmen?«
»Innerhalb von zwölf Stunden, mein Herr«, erwiderte Kenny und beglückwünschte sich insgeheim dazu, daß er ihre Eltern dazu bewegt hatte, noch vor ihrer Abreise eine entsprechende Einwilligung zu unterzeichnen. Natürlich hatten sie geglaubt, daß es zu experimentellen Zwecken sei.
Andererseits waren es Pota und Braddon gewesen, die den Leuten an der Laborschule den Vorschlag gemacht hatten, Tia ins Schalenprogramm zu übernehmen, was aber aufgrund ihres Alters abgelehnt wurde.
»Zwölf Stunden?« Der Generalsekretär hob eine Augenbraue.
Kenny blieb ihm keinen Blick schuldig.
»Tinas Eltern stehen bei dem Archäologie-Institut unter Vertrag«, erläuterte er. »Das Institut hat sie wieder in die Feldarbeit geschickt, weil ihr Urlaub zu Ende war. Sie waren zwar nicht glücklich darüber, aber sie konnten nur gehorchen, sonst wären sie gefeuert worden. Es ist schwierig auf diesem Gebiet, eine Stellung in der Feldforschung zu finden, die nicht vom Institut betreut wird.« Er hüstelte. »Nun, sie haben Vertrauen in meine Arbeit und haben mir die volle
Vormundschaft über Tia erteilt, bevor sie abreisten.«
»Dann haben Sie also die volle Vormundschaft und das
Sorgerecht. Sehr sauber.« Das schiefe Lächeln des
Generalsekretärs zeigte, daß er durchaus begriffen hatte, daß man ihn in diese Situation hineinmanövriert hatte – und daß er darüber nicht verärgert war. »Also gut. Binnen einer Woche wird jemand von der Schule hierherkommen. Falls da nicht noch irgend etwas sein sollte, was Sie mir nicht über das Mädchen erzählt haben, müßte er in zwei Tagen mit seiner Untersuchung fertig sein. Und am Ende dieser beiden Tage…«
Vielsagend hob er eine Augenbraue. »Nun, es wäre doch
äußerst praktisch, wenn er die neue Rekrutin gleich mitnehmen könnte, nicht wahr?«
»Ja, mein Herr«, erwiderte Kenny überglücklich. »Das wäre es allerdings.«
Wenn da nicht Doktor Uhua-Sorgs Ruf und die Bitten seines früheren Schülers Lars Mendoza gewesen wären, hätte Philip Gryphon bint Brogen dem Komitee nur zu gern mitgeteilt, wohin es sich die Bitte des Generalsekretärs hätte schieben können. Und was es danach damit machen sollte. Man ließ einfach nicht seine Beziehungen spielen, um einen
ungeeigneten Kandidaten in das Schalenprogramm
einzuschleusen! Vielleicht glaubte der Generalsekretär ja, daß er mit solcher Art politischem Intrigenspiel ungestraft Akademiezulassungen manipulieren konnte, aber hier würde er sich leider eines Besseren belehren lassen müssen.
Philip war nicht bereit, irgendwelchem Druck nachzugeben.
Und so befand er sich in einer ausgesprochen kämpferischen
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