Raumschiff der Generationen
daß es sich also um völlig normale Individuen handelt?«
»Das kann ich.« Stanford hielt dem forschenden Blick stand. »Jedes unserer Tiere, ganz gleich zu welcher Gruppe es gehört, ist genetisch registriert. Das heißt, sein Erbgut, das in der sogenannten ›Genkarte‹ festliegt, ist elektronisch gespeichert.«
»Und eine etwaige Kontrollkommission könnte feststellen, daß keine Fälschungen vorliegen?«
»Vermittels der entsprechenden Gerätschaft, ja! Und die würde ich ihr dann selbstverständlich zur Verfügung stellen.«
»Es sind also normale Tiere«, wiederholte Terre. »Worauf führen Sie dann diese chaotische Entwicklung zurück?«
»Das habe ich Ihnen doch schon erklärt! Na schön … Sie wollen es gebrauchsfertig haben für Ihr erlauchtes Auditorium! Also …«, der Wissenschaftler kreuzte die Arme vor der Brust und sprach in dozierendem Tonfall, »das, was Sie hier sehen, meine Damen und Herren, ist das vorläufige Endprodukt einer Entwicklung, die sich an einer normalen Tiergesellschaft unter abnormalen Umständen vollzog. Diese Entwicklung begann, als der vom Individuum benötigte Mindestlebensraum eingeschränkt wurde. Der Grad dieser Einschränkung wurde vom Computer errechnet und entspricht genau der Einschränkung, der unsere menschliche Gesellschaft im SCHIFF unterliegt. Die Konsequenzen aus diesem Modell zu ziehen, überlasse ich Ihnen, meine Damen und Herren, und so weiter, und so fort! – Nicht wahr, so wollten Sie es doch hören?«
»Ja!« erwiderte Terre. »Ich nehme an, Sie haben genügend Filme gemacht?« Und als Stanford mürrisch nickte, ging sie hinüber zu dem angrenzenden Käfig. Eine Weile sah sie schweigend dem friedlichen Treiben zu. »Unfaßbar!« murmelte sie. »Warum haben Sie die Tiere eigentlich verschieden gefärbt?«
Der Biologe lächelte überlegen. »Sie sind nicht gefärbt. Wenn man das gesamte Erbgut eines lebenden Wesens willkürlich zu ändern vermag, kann man natürlich auch Pigmentierung, Haarfarbe oder dergleichen ändern. Wir haben es getan, um diese Tiere von ihren Nachbarn unterschiedlich zu machen und, um die einzelnen Kasten herauszuheben.«
Nach einer Weile sagte Terre:
»Die blauen Tiere stehen also an der Spitze der Hierarchie, sie bilden die ›Führerkaste‹. Die grünen sind die ›Arbeiter‹, und die gelben scheinen mir eine Art Polizei darzustellen?« sie blickte Stanford fragend an.
»Ja, die gelben Tiere sorgen für Ordnung und auch dafür, daß die Anordnungen bzw. Befehle der Blauen ausgeführt werden. Sie sind gewissermaßen die Exekutive dieser Gesellschaft. Sie unterscheiden sich von den übrigen Kasten schon durch ihre Körpergröße.«
»Eines ist mir unklar«, sagte Terre. »Soviel ich von Lauro weiß, ändern Sie das Erbgut der Ratten, indem Sie durch hochkomplizierte und einem Laien wie mir völlig unbegreifliche Eingriffe die ›Genkarte‹ austauschen …«
Der Wissenschaftler lachte. »›Austauschen‹ ist wirklich lustig. Der gute Lauro …« Er wurde wieder ernst. »Nein, die Sache geht, vereinfacht gesagt, so vor sich: Der Erbkode, die ›Genkarte‹, wird in einem subnuklearen Verfahren kopiert. Nach dieser Kopie wird ein genetisches Programm aufgestellt, das daraufhin abgestimmt ist, das vorhandene Erbgut in der gewünschten Weise zu verändern. Diese Programme werden implantiert. Bei der Implantation werden T-3-Viren benutzt, die die Programme in den Erbmechanismus ›einschleppen‹ …«
»Stanford, bis hierhin bin ich mitgekommen. Den Rest schenken Sie sich! Etwas anderes hätte ich aber gern von Ihnen gewußt: Mir ist klar, daß Sie durch Veränderung des Erbgutes konstitutionelle oder materielle Eigenschaften modifizieren oder selbst neue erschaffen können. Welche dieser Eigenschaften macht jedoch aus einer unintelligenten Ratte ein Tier, das Führereigenschaften aufweist, das anderen Ratten Befehle zu geben vermag? Ist das nicht eine Frage von Intelligenz? Und wo kommt diese plötzlich her?«
»Dies war unser größtes Problem«, bekannte Stanford, »wir haben Jahre daran gearbeitet, bis es uns schließlich gelang, durch ein kombiniertes genetisches und elektrophysikalisches Verfahren eine gewisse Anzahl besonders geeigneter Tiere zu intellektualisieren.
Ich beschaffte mir alte Unterlagen aus den Speichern der Bordelektronik. Aus ihnen gewann ich neue Erkenntnisse, die ich für meine eigene Theorie verwandte. Das Ergebnis – sehen Sie hier!«
Stanford, dachte Terre, war ein Genie. Man sollte es ihn
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