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Raumstation Erde

Raumstation Erde

Titel: Raumstation Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clifford D. Simak
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gegeben, was ein Mensch besaß, mit der wichtigsten Ausnahme - der Fähigkeit, in der menschlichen Welt zu existieren.
    Alle haßten ihn, bis auf Mary, und für Mary war es schlimmer als Haß. Sie war durch die ihr verliehene Menschlichkeit dazu verdammt, das Ungeheuer zu lieben, dem sie ihr Dasein schuldete.
    Haß mich, Mary, dachte er. Haß mich wie die anderen! Er hatte sie als Schattenwesen gedacht, aber das war ein Name zu seiner Bequemlichkeit gewesen, ein handliches Etikett, um sie zu identifizieren, sobald er an sie dachte.
    Aber das Etikett paßte nicht, sie waren weder Schatten noch Geister. Dem Auge erschienen sie fest und substanzhaft, so wie andere Wesen auch. Erst wenn man sie zu berühren versuchte, zeigte sich, daß sie nicht real waren - man griff ins Leere.
    Eine Einbildung, hatte er zuerst gedacht, aber jetzt war er seiner Sache nicht mehr ganz sicher. Zuerst waren sie nur erschienen, wenn er sie gerufen hatte, mit dem Wissen und der Technik der Thaumaturgen von Alphard XXII. In den letzten Jahren jedoch hatte er sie nicht mehr herbeigerufen. Sie hatten seinen Wunsch vorausgeahnt und waren gekommen, bevor er ihn auszusprechen vermochte. Sie spürten, daß er sie brauchte, bevor es ihm selbst zum Bewußtsein kam.
    Einbildungen seines Gehirns, in gewisser Weise, natürlich; denn er hatte sie geformt, unbewußt vielleicht zuerst, ohne zu wissen, warum er sie so und nicht anders bildete, aber in den letzten Jahren war es ihm klargeworden, obwohl er dieses Wissen zu verdrängen suchte. Aber es hatte keinen Zweck mehr, ihm auszuweichen.
    David Ransome war er selbst, wie er sich erträumt hatte, wie er sich als Wunschbild sah - und nie gewesen war. Der elegante Offizier der Unionsarmee, nicht von so hohem Rang, daß er steif und pomphaft werden mußte, aber ein gutes Stück über dem Durchschnitt. Schlank, gutaussehend, tollkühn, von allen Frauen geliebt, bewundert von allen Männern. Ein geborener Offizier, zugleich ein guter Kamerad.
    Und Mary? Komisch, dachte er, er hatte sie nie anders als Mary genannt. Einen Zunamen hatte es nie gegeben. Sie war einfach Mary gewesen.
    Und mindestens zwei Frauen zugleich, wenn nicht mehr. Sie war Sally Brown, die unten an der Straße gewohnt hatte -, und wie lange ist es her, fragte er sich, seit er an Sally Brown gedacht hatte? Merkwürdig, daß er jetzt bei der Erinnerung an eine ehemalige Nachbarstochter namens Sally Brown erschrak. Sie waren ineinander verliebt gewesen, oder glaubten es vielleicht nur. Auch später, als er sich noch an sie erinnerte, hatte er nie genau gewußt, ob es Liebe oder nur die Romantik eines ins Feld ziehenden Soldaten gewesen war. Sie hatten beschlossen, nach seiner Rückkehr zu heiraten, aber wenige Tage nach der Schlacht von Gettysburg hatte er brieflich die Nachricht erhalten, daß Sally Brown an Diphtherie gestorben war. Er wußte nicht mehr, wie tief ihn die Nachricht getroffen hatte.
    Mary war also teilweise Sally Brown, aber nicht ganz. Sie war ebenso auch die große, würdevolle Tochter des amerikanischen Südens, die Frau, die er für wenige Augenblicke sah, als er unter der heißen Sonne Virginias eine staubige Straße entlangmarschierte. In einem Park war ein großes Herrenhaus halb verborgen gewesen, und er hatte sie neben einer der weißen Säulen stehen sehen, wo sie den Feind beim Vorbeimarsch beobachtete. Ihr Haar war schwarz, ihre Haut weißer als die Säule, und sie hatte eine so stolze, ungebrochene Haltung gezeigt, daß er sie nie vergaß, alle die staubigen, heißen, blutigen Tage des Kriegs hindurch an sie dachte, von ihr träumte - obwohl er ihren Namen nie erfuhr.
    Mary war beide Frauen gewesen - Sally Brown und die unbekannte Schönheit Virginias. Sie war ihr Schatten gewesen, vielleicht auch noch der vieler anderer, ein Gesamtbild aller Frauen, die er je gesehen und bewundert hatte. Sie war ein Idealbild, die Vollkommenheit schlechthin gewesen. Sie ruhte jetzt im Grab, wie Sally Brown, wie die Schöne aus Virginia, verloren im Nebel der Zeit, wie die vielen anderen, die zur Formung dieses Bildes beigetragen haben mochten.
    Er hatte sie geliebt, denn sie war die Summe all dessen gewesen, was er liebte.
    Nur, daß auch sie ihn lieben konnte, war ihm nie in den Sinn gekommen. Bis er von ihrer Liebe erfuhr, hatte er sein Gefühl tief in sich verschließen können.
    Er hob die Hände, senkte den Kopf, saß schuldbewußt und gequält da, das Gesicht in den Händen verborgen.
    Sie würde nie mehr kommen. Er betete

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