Rausch der Unterwerfung
die an ihrer Brust hing, als würde das Untier an ihrem Nippel saugen.
„Das ist Schwarz“, flüsterte Anne unvermittelt.
Der Anwalt, der gerade mit einer Porzellantasse zu ihr zurückgekehrt war, nickte bestätigend.
„Ja. Ein Jammer, dass sie ihr Dasein in meinem Büro fristen muss. Sie hätte es sicher anders gewollt.“
„Warum ist sie hier?“, fragte Anne und nahm den Kaffee entgegen, dann betrachtete sie die Fotografien erneut, die unverkennbar aus Miguels Kamera stammten.
Der Rechtsanwalt räusperte sich kurz und nahm auf dem Ledersessel hinter seinem Schreibtisch Platz.
„Im Gegensatz zu Ihnen war es ihr nicht mehr möglich, meiner Einladung zu folgen“, sagte er und zog daraufhin eine Schublade auf, der er eine lederne Mappe entnahm. Auf dem Deckel prangte ein goldenes Siegel. Er schlug die Mappe auf und schob sie Anne entgegen.
„Sie sind hier, weil ich Sie bitten möchte, diese Erklärung zu unterschreiben“, sagte er vorsichtig, aber direkt. „Wie Sie vielleicht bereits ahnen, bin ich mit den profanen weltlichen Dingen um Miguels Arbeit betraut, darüber hinaus bin ich sein Freund, Kompagnon, Vermögensberater, Manager, Beichtvater und sein Aufpasser.“ Er grinste plötzlich jungenhaft, was seine bisherige Förmlichkeit Lügen strafte. „Wenn ich nicht wäre, würde er ständig mit einem Bein im Armenhaus stehen und mit dem anderen Bein im Knast. Sie können mich übrigens Simon nennen.“
Anne lächelte und begann, das Schriftstück zu überfliegen.
„Mit Ihrer Unterschrift erklären Sie, dass alle Aufnahmen, die in Spanien von Ihnen gemacht wurden, mit Ihrem Einverständnis entstanden sind. Des Weiteren übertragen Sie mir das Recht …“ Er unterbrach sich kurz und lächelte, als Anne fragend aufsah. „… für Ihren Verkauf.“
„Ich werde verkauft?“ Das klang irgendwie beunruhigend. „An wen?“
Mit einer abwehrenden Geste lehnte Simon sich in seinem Sessel zurück.
„Den Namen des Käufers kann ich Ihnen nicht nennen, unmöglich. Diskretion ist alles, meine Liebe. Vielleicht so viel: Er ist Südafrikaner und … sagen wir mal … ein Diplomat. Zur Zeit lebt er allerdings in Kuwait. Mehr darf ich Ihnen nicht verraten. Sie würden es ohnehin nicht glauben.“
Anne schaute ihn ungläubig an. „Meine Bilder gehen … ins Ausland?“
Simon nickte. „Miguel hat sich in gewissen, einschlägigen Kreisen einen Namen gemacht. Die Klientel, mit der ich verhandle, ist exklusiv, vermögend und international. Grün ging sogar nach China, Schanghai, wenn Sie es genau wissen wollen.“
„Und Orange?“, fragte Anne noch immer fassungslos.
„Düsseldorf“, antwortete Simon und lachte leise, dann wurde er wieder ernst. „Lesen Sie sich alles genau durch. Wenn Sie Fragen haben, stehe ich gern zu Ihrer Verfügung. Außerdem möchte ich, dass Sie sich nicht unter Druck gesetzt fühlen. Sie haben alle Zeit der Welt, darüber nachzudenken. Wir können gern einen neuen Termin vereinbaren, wenn Sie zur Unterschrift bereit sind.“ Er beugte sich ein wenig vor und schaute Anne an. „Er hat Ihre Seele eingefangen … und ich verkaufe sie.“
„Ich muss nicht darüber nachdenken“, gab Anne zurück und griff nach dem Kugelschreiber, der in einer kleinen Schlaufe der Mappe steckte. „Wo?“
Da lachte er und wirkte verblüfft. „Wollen Sie es sich nicht wenigstens vorher ansehen?“
Sie verließen das Büro. Der Anwalt führte Anne in einen kleinen Nebenraum, in dem nur ein flacher Glastisch stand, umringt von drei krummbeinigen Designerstühlen. Aber Annes Blick richtete sich sofort zur Wand, an der ein ähnliches Relief hing, wie sie es schon in Simons Büro gesehen hatte, nur dass dieses ihr in Rot und Gelb geradezu entgegenleuchtete, und es waren nicht drei Fotos darin verarbeitet, sondern fünf, die Tänzerin, das Lagerfeuer, das Strandfoto, die Höhle und in der Mitte, größer als die anderen, die es umringten, die brennende Braut.
Die Schwarz-Weiß-Aufnahme, die er „Gefallen“ genannt hatte, war nicht dabei. Vermutlich hatte er sie für sich behalten, sie seiner privaten Sammlung hinzugefügt. Dafür entdeckte Anne etwas anderes sehr persönliches. In dem erstarrten Flammenmeer, das die Bilder umzüngelte, schwamm ein weißer Seidenstrumpf mit breitem Spitzenband. Obwohl er offenbar mit irgendetwas gehärtet worden war, wirkte er noch immer zart und filigran und erweckte den Eindruck, als würde er jeden Augenblick verbrennen. Sie entdeckte weitere Requisiten,
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