Ravanas Rueckkehr
Mrs. oder Ms. ansprechen, aber ich ziehe es vor, Mila genannt zu werden. Sonst glaube ich immer, die Leute würden mich mit meiner Mutter verwechseln.« Sie beugte sich vor und verschränkte die Arme auf dem Schreibtisch. »Also, ich nenne dich Willow, und du sagst Mila zu mir.«
Willows Lächeln wurde immer breiter, als wollten ihre Mundwinkel bis hinauf zu den Backenknochen wandern. »Sicher... Mila.«
»So. Was wolltest du vorhin sagen?«
»Ach ja. Ich wollte sagen, dass Sie Recht haben. Manchmal vergessen die Leute so etwas. Ich meine, wenn es um mich geht. Dass ich die gleichen Zweifel... und Ängste
...« Plötzlich wollte sie nicht über sich reden, noch weniger über ihre Probleme. Sie wollte Mila besser kennen lernen, denn so wie Willow die Sache sah, war Mila das erste menschliche Wesen, das einen Job an der Sunnydale High School bekommen hatte, seit Giles eingestellt worden war. »Wie gefallt Ihnen der Job als Studienberaterin?«
Mila lachte. »Sehr gut. Ich arbeite gern mit den Schülern. Der Lehrkörper - jeder Lehrkörper - vergisst so leicht, dass es außer den Lehrern noch andere Leute auf dem Campus gibt. Dass auch Schüler Menschen sind, nicht nur irgendein Teil ihres Jobs, so wie Kreide und Radiergummis oder Zeugnisformulare.«
Einigermaßen überrascht horte Willow sich selbst aus vollem Herzen lachen. »Sind Sie wirklich echt? Ich meine, ich komme mir vor, als würde ich plötzlich eine Rolle in irgendeiner hippen Fernsehserie spielen oder so, weil... Lehrer... ich meine, sie reden normalerweise nicht so.«
Auch Mila lachte. »Ich habe dir nur erzählt, wie ich empfinde.« Dann beugte sie sich noch weiter vor und senkte die Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern. »Wenn das bekannt wird, dann werde ich, fürchte ich, diesen Job nicht lange behalten, also genieß es, solange du noch kannst.«
Nun brachen beide in Gelächter aus.
»Aber bisher hast du mir noch gar nichts von dir erzählt, Willow. Du lächelst wieder, und das ist gut. Aber draußen, auf dem Flur, hast du so niedergeschlagen ausgesehen.
So unglücklich. Warum?«
Willow erzählte eine Weile, wobei sie sich an Milas Vorlage hielt, alle dächten, jemand, der so gute Noten hatte, könnte nicht die gleichen Zweifel und Ängste haben wie alle anderen. Aber Willow erzählte nichts von ihren tatsächlichen Problemen.
Wenn sie das tun würde, so mochte das nur zu weiteren Fragen über das wahre Sunnydale führen. Doch obwohl sie ihr Gefühl der Einsamkeit, der Verlassenheit und der unerklärbaren Kälte zwischen ihr und ihrer besten Freundin nicht zum Ausdruck brachte, tat es ihr gut, mit Mila zu sprechen. Schließlich fand Willow es jedoch an der Zeit, das Gespräch anderen Dingen zuzuwenden.
»Die sind wunderschön«, meinte sie und deutete auf die Statuen auf der Kommode. »
Was sind das für Figuren?«
»Du meinst die Arbeiten meines Bruders?«
»Ihres Bruders?«
»Ja, er ist Bildhauer. Komm, ich zeige sie dir.«
Zusammen gingen sie zu der Kommode und Mila nahm eine der Statuen in die Hand.
»Das ist Wischnu, der höchste Hindugott.« Mit den Fingerspitzen strich sie über die vier kunstvoll herausgearbeiteten Hände der Figur. Jede hielt einen Gegenstand: eine Muschel, eine Art Ring oder Reifen, eine Keule und eine Lotusblüte.
Willow berührte die glatte blaue Oberfläche der Steinstatue. »Ihr Bruder ist sehr begabt«, sagte sie.
»Und in Indien auch recht bekannt. Er hat sechs Jahre lang als Taxifahrer gearbeitet und in seiner Freizeit Statuen hergestellt. Dann hat ein Freund ihm den Eigentümer einer Galerie vorgestellt, und plötzlich ist er ein gefragter Bildhauer, dessen Werke exorbitante Preise erzielen. Jetzt widmet er seine ganze Zeit der Kunst und ist sehr glücklich damit. Und ich bin auch sehr glücklich, denn er fertigt jedes Jahr eine Figur für meinen Geburtstag an. Das tut er schon, seit er ein Junge war.« Sie stellte die Wischnu-Statue ab und ergriff eine andere. »Dies ist Rama, einer der Avatare Wischnus.«
»Avatare?«, fragte Willow. »Klingt wie ein Auto. Der Chevy Avatar. Oder der neue Avatar von Volvo.«
Mila lachte. »Ja, nicht wahr? Aber das ist falsch. Du musst wissen, Hindugötter haben oft viele verschiedene Erscheinungsformen oder Avatare. Rama ist eine der vielen Inkarnationen des Gottes Wischnu, ein sehr muriger Gott, der Sita, seine Frau und Tochter von König Janaka, vor dem mächtigen Dämon Ravana gerettet hat.«
»Klingt, als hätte die hinduistische Religion eine
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