Ravanas Rueckkehr
erschreckender Obszönität einfach alles abdeckten.
Auf dem Poster, das Ms. Daruwalla an der Pinwand vor dem Büro befestigte, war weiter nichts als eine ausgekippte Packung Zigaretten zu sehen. Oberhalb des Bildes stand: >Denk nach<, darunter: >Rauchen tötet<.
Ms. Daruwalla stand mit dem Rücken zu ihr, als Willow vorbeiging. Doch sie war kaum vorbei, da sagte die Studienberaterin: »Du siehst niedergeschlagen aus.«
Willow blieb stehen und drehte sich zu ihr um. »Wie bitte?«
»Du siehst aus, als hätte dir gerade jemand dein Schmusetier geklaut«, sagte die junge Frau mit einem ebenso strahlenden wie entwaffnenden Lächeln. »Ist mit dir alles in Ordnung?«
»Oh, äh, na ja, äh ...« Willow zuckte mit den Schultern und erwiderte das Lächeln, wenngleich das ihre nur ein müder Abklatsch des wundervollen Strahlens von Ms.
Daruwalla war. »Alles in Ordnung«, sagte sie mit einem bekräftigenden Nicken. Dann erstarb ihr Lächeln, ihr Kopf hielt abrupt in der Bewegung inne, und sie fügte hinzu: »
Nein, äh, es ist nicht alles in Ordnung, aber... ich bin okay.« Dann lächelte sie wieder, allerdings noch weit weniger überzeugend als zuvor.
»Wenn du nicht in Eile bist, möchtest du vielleicht darüber reden?« Dir Akzent war kaum zu hören, verlieh jedoch ihrer Stimme eine musikalische Note. Als Willow zögerte, sagte Ms. Daruwalla: »Ich habe im Augenblick etwas Zeit. Wenn auf dich nichts Dringendes wartet, könnten wir zusammen einen Tee trinken. Ich habe gerade eine Kanne voll gekocht.«
Das klang verlockend, zumal sich Willow verzweifelt danach sehnte, mit jemandem zu reden. Aber wenn sie Ms. Daruwalla erzählte, was sie beschäftigte, würde das genauso klingen, wie sie nicht klingen wollte: weinerlich und selbstmitleidig.
Natürlich musste sie nicht darüber reden, wenn sie nicht wollte.
»Okay«, sagte Willow.
Durch die geöffneten Vorhänge am Fenster hinter dem großen Schreibtisch flutete heller Sonnenschein in den Raum. Das Büro war wirklich schön, und ein Hauch von Ms. Daruwallas indischer Kultur haftete der Einrichtung an. Auf einer Kommode auf der rechten Seite des Schreibtisches lag ein pfauenblaues Seidentuch mit kunstvoll geschwungenen goldenen Mustern, die aussahen wie handgemalt. Auf dem Tuch standen einige kleine Statuetten, über denen zwei Aquarelle an der Wand hingen.
Eines zeigte einen Palast, das andere Elefanten mit kostbar verzierten Sätteln.
»Setz dich«, forderte Ms. Daruwalla sie freundlich auf.
Willow setzte sich auf einen schwarzen Kunstledersessel vor dem Schreibtisch, während Ms. Daruwalla zwei zierliche Teetassen aus dem Schrank holte, ehe sie hinter dem Schreibtisch Platz nahm. Am Rand der Tischplatte stand eine Teemaschine mit einer vollen Kanne. Die Studienberaterin schenkte beiden ein, und Willow nippte vorsichtig an ihrer Tasse. Der Tee war stark, aber köstlich.
»Warum bist du so niedergeschlagen?«, fragte Ms. Daruwalla.
»Ach, na ja ... das hat viele Gründe. Nichts Besonderes.«
»Du musst mir verzeihen, aber ich kenne deinen Namen nicht.«
»Ich bin Willow.«
»Ah, Willow Rosenberg«, sagte Ms. Daruwalla mit strahlendem Blick. »Ich habe schon von dir gehört.«
Willows Augen wurden riesig. »Das ... das haben Sie? Was, äh, was haben Sie gehört?«
»Ich habe gehört, du wärest eine Ausnahmeschülerin. Du wirst in höchsten Tönen gelobt.«
Willow entspannte sich ein wenig und sagte:» Oh, danke, das ist sehr nett.«
»Natürlich kann so etwas das Leben auch ziemlich schwer machen.«
Langsam legte sich Willows Stirn in Falten. »Was meinen Sie damit?«
»Wenn jemand erst einmal als Ausnahmeschüler bekannt ist, dem alles gelingt, fällt es den Leuten oft schwer, noch etwas anderes in diesem Menschen zu sehen. Sie glauben, die guten Noten würden dir einfach zufliegen, weil sie meistens nicht an die Arbeit denken, die dafür nötig ist. Das verleitet sie dann leicht zu dem Irrglauben, dir würde einfach alles leicht fallen, und sie hören auf, in dir einen Menschen zu sehen, den die gleichen Zweifel und Ängste plagen wie sie. Aber vielleicht urteile ich vorschnell.«
Inzwischen waren die Falten auf Willows Stirn längst verschwunden, und ihr Mund stand ebenso weit offen wie ihre Augen. »Nein, nein, Ms. Daruwalla, das tun Sie nicht!«
»Oh, Willow, bitte ... nenn mich einfach Mila.«
»Mila?«
»Ja, die Kurzform für Promila. Ich weiß, dass Direktor Snyder der Ansicht ist, die Schüler sollten uns grundsätzlich mit Mr. oder
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