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Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Titel: Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Wänden und Möbelstücken abgestützt, zur Tür hinüber. Wahrscheinlich sah sie verheerend aus, aber sie hatte jetzt nicht die Kraft, sich noch einmal frisch zu machen. Wozu auch? Janice war immerhin ihre älteste Freundin, und nachdem, was sie am Telefon erfahren hatte, gehörte auch ihr Verlobter nicht gerade zu den Menschen, die übersteigerten Wert auf Etikette legten. Nein, Janice und Raven würden sicher Verständnis dafür haben, dass eine Hochschwangere nicht immer wie aus dem Ei gepellt wirken konnte.
    Die Lautstärke der Stimmen hatte jetzt so zugenommen, dass sie beinahe meinte, einzelne Worte verstehen zu können, obwohl sich die Eingangstür am entfernten Ende der Halle befand. Von einer unerklärlichen Unruhe getrieben, bewegte sich Anne schneller. Gerade, als sich ihre Hand auf die messingne Klinke der Zimmertür legte, ertönte von draußen erneut das Zuschlagen einer Autotür. Kaum eine Sekunde später wiederholte sich das Geräusch noch einmal, ein Doppelschlag wie von einer Explosion, der ihr Angst machte.
    Und die ganz Zeit über ging die erregte Unterhaltung drunten weiter. Seymour und der andere Mann stritten sich tatsächlich, daran konnte es keinen Zweifel mehr geben! Und jetzt mischte sich noch eine dritte, befehlsgewohnt klingende Stimme in das Gespräch ein.
    Die Stimme eines Mannes, nicht einer Frau.
    Annes Hand verharrte Millimeter über der Klinke reglos in der Luft. In ihrem immer noch schmerzumnebelten Kopf begannen die Gedanken zu rasen.
    Das da unten waren nicht Janice und Raven! Es waren mindestens zwei - nein, sogar mindestens drei Männer!
    Drei, weil sie mit einem Mal noch eine weitere Stimme vernahm - wieder die Stimme eines Mannes. Sie wirkte dringend, aggressiv, gehetzt. Und was sie sagte, war in Bruchstücken sogar von hier aus zu verstehen.
    »... verwundet!«
    In jähem Erschrecken öffnete sich Annes Mund. Ein Verwundeter? Aber wenn es ein Unglück gegeben hatte, warum ließ Seymour die Männer dann nicht herein? Warum setzte er sich nicht ans Telefon und rief Hilfe aus Shilford herbei?
    Verwundert schüttelte Anne den Kopf. Vielleicht war es am besten, wenn sie selbst nach unten ging und schaute, was los war. Ihre Hand senkte sich tiefer, berührte die Klinke, drückte sie nieder.
    Und dabei fiel ihr Blick auf den dünnen schwarzen Chiffonstoff, der ihren Arm umhüllte.
    Sie ließ die Klinke los. Nein, in diesem durchsichtigen Hauskleid konnte sie nicht nach unten gehen, wenn fremde Männer in der Halle waren. Sie musste sich vorher etwas überziehen, einen Morgenrock wenigstens. Das würde ja nicht lange dauern, ein paar Sekunden nur ...
    Sie tastete sich in den Raum zurück, noch etwas schwindelig, aber längst nicht mehr so desorientiert wie noch vor einer Minute. Ihre Finger fanden den achtlos über einen Hocker geworfenen Morgenrock, und sie streifte ihn über, ohne sich dabei an der Wand abzustützen. Dann ging sie langsam wieder zurück zur Tür.
    In diesem Augenblick erst fiel ihr auf, dass der Mann unten nicht von einem Verletzten, sondern von einem Verwundeten gesprochen hatte.
    Eine seltsame Vorahnung kommenden Unheils überfiel Anne. Mit einem schnellen Schritt, bei dem sich in ihrem Kopf erneut alles zu drehen begann, war sie an der Tür des Ankleidezimmers, drückte die Klinke nieder und öffnete die Tür einen Spaltbreit. Schlagartig wurden die Stimmen lauter.
    Die Unterhaltung hatte sich keineswegs beruhigt, im Gegenteil, Seymour und ihre überraschenden Besucher schienen sich heftiger zu streiten als zuvor. Sie redeten so lautstark durcheinander, dass Anne statt einzelner Worte nur ein bedeutungsloses Stimmengewirr vernahm. Und jetzt drang von unten sogar Gepolter, als werde eine Vase umgestoßen, und das schwere Fallen eines Körpers herauf, gefolgt von einem lauten Wutschrei. Eine handgreifliche Auseinandersetzung? Aber das war unmöglich; sie musste sich einfach irren!
    Vielleicht hatten die Männer ja einfach nur den Verwundeten hereingetragen und ihn auf den Boden der Halle abgelegt. Der Streit musste sich darum drehen, wie man dem Verwundeten am besten helfen konnte, und die Lautstärke der Stimmen zeugte nur von der Erregung, die Seymour und die anderen Männer ergriffen hatte.
    Nein, eine andere Möglichkeit gab es nicht. Alles andere war völlig lächerlich, ein Hirngespinst.
    Sie schob die Tür mit einem entschlossenen Ruck ganz auf und trat hinaus auf den Treppenabsatz.
    Und genau da fiel im Erdgeschoss ein Schuss.
    »Also wirklich«, sagte

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