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Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Titel: Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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er den Lauf der Maschinenpistole herumschwingen, bis ihr schwarzes Mündungsloch den Privatdetektiv angähnte. Unwillkürlich begann ein Muskel an Ravens Schläfe zu zucken. Drei Millimeter bis zum Druckpunkt - und der Mann am Abzug war so verrückt wie ein Märzhase.
    »Du kannst es uns doch sagen, oder nicht?«, fuhr Jazz mit tödlicher Freundlichkeit fort, diesmal direkt an Raven gewandt. Dann wurde seine Stimme mit einem Mal deutlich schärfer. »Los, spuck's schon aus - wird's bald? Den Namen will ich wissen!«
    »Raven«, sagte der Privatdetektiv hastig, oder er glaubte es wenigstens zu sagen. In Wirklichkeit drang nur ein trockenes Krächzen aus seiner zerschundenen Kehle. Als er es bemerkte, versuchte er es noch einmal, aber auch diesmal war das Ergebnis nicht besser.
    »Lassen Sie den armen Mann doch in Ruhe!«, erklang eine Stimme aus dem Hintergrund des Raums. Sie bebte und war von Angst verzerrt, aber es war unverkennbar die Stimme einer Frau. »Sie sehen doch selbst, dass er noch gar nicht wieder richtig bei sich ist.«
    Langsam, mit einer schier übermenschlichen Kraftanstrengung, wandte Raven den Kopf in Richtung der Sprecherin. Zuerst hatte er Mühe, seinen Augen auf die neue Entfernung einzustellen, aber dann gelang es ihm, an seiner an ein Tischbein gefesselten rechten Hand vorbei hinüber zu der Sitzgruppe zu blicken, von der die Stimme gekommen war.
    Natürlich hatte Janice ihm erzählt, dass Anne Devlin im siebten Monat schwanger war, aber er hatte nicht damit gerechnet, dass man ihr das schon so deutlich ansehen würde. Vielleicht lag es einfach nur an dem dünnen, schwarzen, beinahe transparenten Hauskleid, das ihre Formen eher betonte als verbarg. Oder vielleicht wölbte sich ihr Bauch auch weiter vor als üblich, weil die Gangster ihr die Arme nach hinten gebogen und hinter der Sessellehne straff zusammengebunden hatten.
    So, wie sie da schutz- und hilflos zitternd auf dem Sessel saß, mit allen deutlich sichtbaren Insignien der Schwangerschaft, bot sie jedenfalls einen seltsam anrührenden Anblick. Und wäre Raven nicht wie betäubt gewesen, hätte er sie sicherlich attraktiv gefunden.
    Behutsam drehte Raven den Kopf noch etwas weiter, bis auch der zweite Sessel der Sitzgruppe in sein Blickfeld geriet. Dort hockte stumpf und apathisch Seymour Devlin, Annes Mann. Er war ebenfalls gefesselt, aber seine Arme waren auf die hölzernen Seitenlehnen gebunden. Um seine rechte Hand schlang sich ein blutiger Notverband. Seine nächsten Romane würde er nur mit der linken Hand tippen oder diktieren müssen.
    Falls die Gangster ihn nicht ohnehin umbrachten, sobald sie das Haus wieder verließen.
    Ein Tritt riss Raven aus seinen düsteren Gedanken. Er ließ den Kopf zurückrollen und starrte hinauf in Jazz' schmales, mit Pockennarben übersätes Gesicht. Als er die blassblauen, flackernden Augen sah, die unstet hin und her wanderten, wurde ihm endgültig mit aller Deutlichkeit klar, dass er es hier mit einem psychopathischen Killer zu tun hatte.
    Er fragte sich unwillkürlich, wann Jazz die schmale Grenze zwischen Normalität und Wahnsinn überschritten haben mochte. Vielleicht erst, als er während des Banküberfalls durchdrehte und sinnlos drei Menschen tötete, als alles schiefzulaufen drohte?
    Das wäre schlimm gewesen. Denn in diesem Fall ließ sich Jazz' Wahnsinn nicht im Mindesten berechnen.
    Ein zweiter Tritt ließ den Privatdetektiv aufstöhnen. Raven biss sich auf die Lippen, um den aufwallenden Schmerz unter Kontrolle zu bringen.
    »Na, wird's bald?«, forderte Jazz. »Deinen Namen will ich wissen!« Er schien Anne Devlins Einwurf gar nicht gehört zu haben, und wenn, dann kümmerte er sich jedenfalls nicht darum.
    »Ich heiße Raven«, flüsterte der Privatdetektiv, und diesmal kam es sogar halbwegs verständlich heraus.
    Der Killer über ihm nickte beinahe freundlich, und die Maschinenpistole wippte im Takt seines Nickens mit. Am liebsten hätte Raven laut geschrien, aber es gelang ihm mit einiger Mühe, sich zu beherrschen. Wenn er jetzt auch noch durchdrehte, war damit nichts gewonnen.
    »Raven«, wiederholte der Killer langsam. »Sehr schön. Und weiter?«
    »Nichts weiter. Einfach nur Raven.«
    Jazz hob verwundert eine Augenbraue. Dann begann er tatsächlich zu grinsen, was seinen Pockennarben unvorteilhaft zur Geltung brachte, besonders die um den Mund herum. »So eine Art Künstlername, was? Na gut, belassen wir's dabei. Und wie hieß die Kleine, die uns durch die Lappen gegangen

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