Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)
geeignet dafür.«
Er machte eine einladende Geste und ging dann an Jeff vorbei zu einer niedrigen Tür am hinteren Ende des Flurs. Jeff folgte ihm zögernd. Selbst das beruhigende Gewicht der Achtunddreißiger in seiner rechten Jackentasche konnte nun nicht mehr verhindern, dass er sich äußerst unbehaglich zu fühlen begann.
Sie betraten einen Raum, der nicht ganz so verfallen war wie der Rest des Hauses. Durch ein großes Fenster an der Südseite drang helles Sonnenlicht herein; die Regenwolken hatten sich während der Fahrt verzogen. Ein verschlissener Teppich bedeckte den Boden, und in der Mitte des Raums stand ein niedriger, runder Tisch, um den sich eine Anzahl dreibeiniger Schemel gruppierten. Diese Möbel schienen neueren Datums zu sein.
»Nehmen Sie Platz, Jeff«, sagte Barry Lamb ruhig.
Jeff gehorchte. Lamb setzte sich auf der gegenüberliegenden Seite, faltete die Hände auf der Tischplatte und musterte ihn eine Zeit lang schweigend.
»Also«, sagte Jeff, nachdem er einsah, dass Lamb nicht von sich aus das Wort ergreifen würde, »was soll das Ganze hier?«
Barry Lamb lächelte immer noch.
»Sie wissen es wirklich nicht?«, fragte er ruhig. »Nun, Jeff, Sie sind ein erwachsener, vernünftiger Mann, und ich denke, es ist an der Zeit, mit dem Versteckspiel aufzuhören und reinen Tisch zu machen.«
»Sie wissen also, weshalb ich hergekommen bin«, sagte Jeff. Seine Hand glitt in einer verstohlenen Bewegung zur Jackentasche und tastete nach dem kühlen Metall der Achtunddreißiger.
»Natürlich weiß ich, warum Sie gekommen sind, Jeff«, sagte Barry Lamb. »Schließlich habe ich dafür gesorgt, dass Sie kamen.«
Jeff starrte sein Gegenüber einen Herzschlag lang verblüfft an.
»Wie - wie meinen Sie das?«
Lamb lächelte sein dünnes, hämisches Schlangenlächeln. »Spielen wir mit offenen Karten, Jeff. Sie glauben nicht daran, dass Ihre Schwester vom Blitz erschlagen wurde, und Sie sind hierher gekommen, um die Wahrheit herauszufinden und ihren Mörder zu bestrafen. Oder sollte ich besser sagen: zu TÖTEN?« Er bewegte sich, und für einen winzigen Moment blitzte etwas Grünes, Schleimiges durch die dunklen Linien seines Gesichts. »Ja, ich habe Ihre Schwester getötet, Jeff«, fuhr er dann unvermittelt fort. »Sie wissen das, und das Einzige, was Sie noch davon abhält, die Pistole aus Ihrer rechten Jackentasche zu ziehen und mir das ganze Magazin in den Körper zu jagen, ist Ihre Neugierde - und vielleicht auch ein kleines bisschen Angst ... Nein, schießen Sie jetzt nicht. Ich werde nämlich auch Sie TÖTEN, wenn Sie nur eine falsche Bewegung machen.«
Jeff schluckte. Lamb sprach mit einer solchen Ruhe und Selbstverständlichkeit über Bettys Tod, seine - Jeffs - geheimen Motive und die Möglichkeit, selbst gleich erschossen zu werden, dass sich sein Verstand fast weigerte, das Gehörte zu akzeptieren.
Aber Barry Lamb redete bereits weiter. »Es gibt vieles, was ich in der Verhaltensweise von euch Menschen nicht verstehe«, sagte er ruhig. »Aber die Rache gehört nicht dazu. Ich wusste von Anfang an, dass Sie kommen würden, um mich zu TÖTEN.«
»Sie ...?«
»Ich wusste es, ganz recht«, sagte Barry Lamb ruhig. »Der Tod Ihrer Schwester, Jeff Target, galt nur dem einzigen Zweck: Sie hierher zu locken.«
Jeff schwieg lange, lange Sekunden.
Dann griff er, äußerlich ruhig und fast gelassen, in die Jackentasche, zog die Waffe hervor und ließ den Sicherungshebel zurückschnappen. Die Mündung deutete genau auf Barry Lambs Brust.
»Ihr Freund hat mich gestern beobachtet, nicht wahr?«, sagte Lamb übergangslos, ohne der auf ihn gerichteten Waffe die geringste Beachtung zu schenken.
Jeff nickte, plötzlich seltsam benommen.
»Sie wissen also, dass die Gestalt, in der ich Ihnen jetzt gegenübersitze, nicht meine wahre ist?«
»Ja«, sagte Jeff gepresst. Von Augenblick zu Augenblick hatte er mehr das Gefühl, sich in einem unentrinnbaren Albtraum zu befinden.
«Gut, Jeff. Dann wird Sie dies hier sicherlich auch nicht erschrecken.«
Mit einem Mal lief ein Zucken über Barry Lambs Gestalt. Sein Arm verwandelte sich in einen grünen, schleimigen Tentakel, der mit einer Bewegung, die zu schnell war, als dass das menschliche Auge ihr noch hätte folgen können, über den Tisch peitschte und Jeff die Waffe aus der Hand schlug.
»Ja, ich bin kein Mensch wie Sie«, fuhr Barry Lamb unbewegt fort. »Wir - ich und einige andere, die unerkannt unter euch leben - sind die Vorhut eines Volkes, das
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