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Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Titel: Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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um seine Schulter legte. Er fühlte sich hochgehoben und davongetragen. Rings um ihn wirbelten missfarbene, übel riechende Dunstschleier, und unter seinen Füßen schien mit einem Mal ein bodenloser Abgrund zu klaffen. Er schloss die Augen und ergab sich in sein Schicksal.
    Und das meinte es gut mit ihm. Plötzlich spürte er wieder festen Boden unter den Füßen, wo eben nur das Nichts gewesen war. Als er nach einer Weile wagte, die Augen aufzumachen, sah er, dass er auf einer grauen, endlosen Ebene stand.
    Jetzt wusste er auch, woher der unsichtbare Wind gekommen war, der Boraas' Umhang aufgebauscht hatte, denn eine jähe Böe erfasste ihn und drohte ihn davonzuschleudern. Nur der immer noch fest auf seiner Schulter ruhenden Pranke des schwarzen Riesen war es zu verdanken, dass er nicht weggeweht wurde.
    Bevor Raven Zeit fand, sich nach der Natur dieses Ortes zu erkundigen, ertönte direkt neben ihm ein tiefes, kehliges Schnauben. Der Privatdetektiv zuckte zusammen und wirbelte herum. Dann entspannte er sich wieder ein wenig.
    Keine drei Schritte entfernt stand Boraas' dämonisches Reittier und funkelte ihn aus trübroten Augen an. Sein schuppenbesetzter Echsenschwanz peitschte nervös den staubigen grauen Boden. Auch dem seltsamen »Pferd« des Schattenreiters schien es in diesem irrealen Niemandsland nicht sonderlich zu gefallen, eine Empfindung, die Raven vollständig teilte.
    Er blickte sich um, und das, was er sah, war nicht eben dazu angetan, sein nach den Schrecken der letzten Minuten wie betäubtes und bis in die Grundfesten erschüttertes Gemüt wieder zu beleben.
    Überall, wohin er nur schaute, war nichts als monotones, von keinem Farbtupfer unterbrochenes Grau - ein Farbton, der schon in sich von absoluter Einförmigkeit war und sich wie ein schmutziger Schleier über seine Seele legte. Auch die Geländeformation wies keinerlei Variationen auf. Es gab nicht einmal einen klar abgegrenzten Horizont; vielmehr ging das Grau der Ebene nahtlos in das des Himmels - sofern man eine solche bleierne, undurchsichtige Kuppel überhaupt »Himmel« nennen konnte - über.
    Alles in allem war es der desolateste Ort, den Raven je in seinem Leben gesehen hatte. Er schauderte und kniff die Lippen zusammen.
    Boraas schien keine Schwierigkeiten zu haben, in Ravens Gesicht zu lesen. »Bedrückend, nicht wahr?«, erkundigte er sich. »Man nennt es das Graue Land. Es ist der Ort, an den sich Yrdef zurückgezogen hat.«
    »Yrdef?«
    »Jener Thul Saduum, ohne den all das Entsetzliche auf Ihrer Ebene nicht geschehen wäre, Raven«, sagte Boraas. »Er verkörpert zurzeit noch die Macht der Thul Saduum, vereinigt die Kraft auch der anderen sechs wiedererwachten Thul Saduum in sich. Ohne ihn können die anderen noch nicht existieren, denn noch muss er ihnen als Kraftquelle dienen. Er hat auch das Dämonen-Ei hervorgebracht, und ihn müssen wir besiegen, wenn wir Ihre Freunde retten wollen, Raven. Einfach dürfte es nicht sein - aber auch nicht unmöglich.«
    Er ergriff die Zügel seines unheimlichen Reittiers und blies der Echsenbestie sanft in die schnaubenden Nüstern, um sie zu beruhigen. Dann deutete er mit einer schattenhaften Hand auf den Steigbügel auf der Raven zugewandten Seite des Dämonengeschöpfs.
    »Hier. Steigen Sie auf! Wir müssen uns beeilen, sonst erfährt Yrdef von unserer Anwesenheit, und dann haben wir die winzige Chance verwirkt, die uns andernfalls noch bleibt.«
    Mit einem Gesichtsausdruck, der Raven beinahe an Schadenfreude erinnerte, sah er zu, wie sich der Privatdetektiv zögernd dem gigantischen Schattenreiterpferd näherte und versuchte, eine Hand auf den Sattelknauf zu legen, um sich so auf den Rücken der Bestie hinaufzuziehen. Der schien diese Annäherung jedoch keineswegs zu gefallen, denn sie drehte den stachelbewehrten Kopf und funkelte ihren potentiellen neuen Reiter derart tückisch an, dass dieser ein paar rasche Schritte rückwärts machte, um nur ja aus der Reichweite der Zähne und Hufe des dämonischen Tieres zu entkommen.
    Boraas, der Ravens halbherzigen Annäherungsversuch amüsiert beobachtet hatte, lachte schallend auf.
    »Probleme?«, erkundigte er sich mit bösartiger Freude in der Stimme. »Warten Sie, ich helfe Ihnen!«
    Später vermochte Raven selber nicht zu sagen, wie er denn nun auf die Echsenbestie hinaufgekommen war, aber jedenfalls saß er mit einem Mal im Sattel, und das gigantische Reittier galoppierte los. Seine Gangart war nach menschlichem Ermessen so arhythmisch, dass

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