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Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze

Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze

Titel: Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Twin
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zum
Trainingsprogramm.« Vorsichtshalber verschweige ich, dass ich mein Wissen von
Pa:ris habe.
    Kill steckt das Fernglas wieder weg.
    »Ich schätze, sie bereiten sich auf die Nebelblau-Berge vor«, erzähle ich weiter.
    Skeptisch hebt Kill eine Augenbraue. »Deshalb
klettern sie mit voller Montur, mit Waffen und Munition? Obwohl das Rumballern euch
doch in den heiligen Bergen verboten ist.«
    Ich lache. »Du bist auch nicht unbewaffnet.
Vergiss das nicht. Und Richtung Himmel dürfen wir schießen. Natürlich nur, um uns
vor Falkgreifern zu verteidigen.«
    Noch einmal dreht Kill den Kopf nach Osten zu den
Gills. »Sie sind offenbar auf der anderen Seite des Götterrats gestartet, denn sie marschieren in unsere Richtung. Wenn
sie die Nacht durchmachen, was ich bei dem Gelände und wegen der Tigare nicht
glaube, dann müssten sie … na ja, es geht dort zwischen den Bergen sehr steil
bergab und schwierig wieder rauf … ich schätze, sie wären morgen früh hier.«
    Erschrocken klammere ich mich an seinen Arm. »Können
sie dir gefährlich werden?«
    Er lacht tief und ich höre ein leises Knurren
heraus. »Warum sollten sie? Äußerlich unterscheide ich mich nicht von euch.«
    Dazu schweige ich lieber, denn das sehe ich
entschieden anders. Niemand hat Augen, die, je nach Lichteinfall
bernsteinfarben und kupferrot leuchten. Niemand kann aus dem Stand fünf Meter
hochspringen. Und niemand hält sich mit dem kleinen Finger an einer Felskante
fest und lächelt auch noch dabei.
    »Und deine Zähne?« Endlich überwinde ich mich und
stelle die Frage, die mich seit Wochen beschäftigt.
    »Was soll damit sein?«
    Seine Miene ist schwer zu deuten. Verschlossen
trifft es am ehesten.
    »Als wir uns das erste Mal begegneten, hattest du
… Reißzähne.«
    Er senkt den Blick, knirscht einmal mit dem
Unterkiefer und reißt den Mund auf. »Grrr … so?«
    Erschrocken weiche ich vor ihm zurück und lasse
dabei automatisch mit einer Hand los. Ein kleiner Stein löst sich unter einem
Fuß und fällt klackernd in die Tiefe. Ich ignoriere, dass ich an der Kante
stehe, halte mich nur noch mit einer Hand am Felsen fest und hebe die andere in
einer hilflosen Geste.
    Kill knurrt aus tiefster Kehle. Der Laut klingt
klagend und sein Blick wirkt traurig. »Ich dachte, wenigstens du hättest keine
Angst mehr vor mir.«
    »Habe ich auch nicht«, sage ich hastig. »Ich habe
nur nicht damit gerechnet.« Mutig trete ich näher.
    Er fletscht die Zähne und knurrt.
    Ich trete noch näher und berühre ihn vorsichtig an
der Schulter. Meine Hand gleitet über seinen Brustkorb bis zu der Stelle, wo
sein Herz sitzt. Es pocht heftig.
    »Ich liebe dich«, flüstere ich.
    Er legt seine Hand über meine. »Das … darfst du
nicht … sagen. Wir haben keine Zukunft.«
    Ich lasse die Kante los und schlinge beide Arme um
seinen Hals. Er drückt mich fest an sich, presst mich gegen die Felsen. Die
Welt um uns herum scheint stehen zu bleiben.
    Der Wind spielt mit unseren Haaren. Die Luft ist
glasklar und die tiefstehende Sonne wärmt mild. Sie färbt die Felsen und Kills
Gesicht kupferfarben. Das ist ein Moment, den ich mit aller Kraft aufsauge und
für immer in meinem Herzen bewahren möchte. Denn ich weiß, er wird sich nicht
wiederholen. Es gibt für uns nur den Augenblick, die Gegenwart …
    Kill legt die Hand auf meine Schulter und schiebt
mich sanft von sich. »Ich bin ein Späher, ein Duo-Phakoster. Das heißt in unserer Sprache: Jemand, der alles sieht und zwischen zwei Welten wandelt. Damit wir
unter euch nicht auffallen, lassen wir uns in den Kiefer federnde Implantate
setzen. Mit einem kräftigen Ruck lösen wir den Mechanismus aus. Es funktioniert
ähnlich wie ein Springmesser.«
    »Oh mein Gott. Das klingt schmerzhaft.« Ich hebe
beide Hände und lege sie an seinen Kiefer. Mein Wunsch, ihn zu küssen wird
übermächtig.
    Er tastet mit seinen Händen nach meinem Rücken und
zieht mich erneut an sich. Aber als ich ihn küssen will, dreht er den Kopf weg.
    »Wir müssen wieder nach oben klettern«, sagt er
ernst.

 
    ***
    Zwei Fledermäuse flattern lautlos am Felsen hin
und her. Sie tanzen vor dem Mond, und schließlich schlüpfen sie irgendwo in
eine Mauerritze.
    Kill lässt die Beine von der Kante baumeln. Ich
mache es ihm nach. Er hält meine Hand, und wir beobachten, wie der Mond hinter
den Felsen verschwindet. Sternschnuppen jagen über den Himmel, sie versprühen
Funken, die aussehen wie Wunderkerzen. Allmählich funkeln die Sterne wie
Diamanten,

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