Raylan (German Edition)
aufgewachsen und dann an die Columbia University gegangen, um Jura zu studieren.«
Raylan kam das merkwürdig vor.
»Wenn ihr Vater Bergmann war, wie kann sie dann für den Konzern arbeiten?«
»Frag sie selbst«, sagte Art. »Du bist für Ms. Conlans Sicherheit zuständig, solange sie hier ist. Du wirst mit ihr in der Limo sitzen, vielleicht fährst du sie sogar. Aber solange sie dich nicht anspricht, sagst du kein Wort. Verschweig bloß deine Sympathien für die Kohlekumpel.«
»Du verdonnerst mich zu diesem Job«, sagte Raylan, »nur weil ich mir die Krankenschwester auf eigene Faust vorgenommen habe. Dabei hatte ich schlichtweg keine Zeit, Verstärkung zu holen.«
Art schüttelte den Kopf.
»Carol Conlan hat dich persönlich angefordert und einen Richter dazu gebracht, beim Chief Deputy anzufragen, ob er ihr diesen Gefallen tun könne. Diese Dame kann so viel Personenschutz haben, wie sie nur will, Polizei und so weiter, aber sie will dich, Raylan. Sag du mir lieber, warum.«
»Sie ist die zweite Vorsitzende eines Bergbaukonzerns, schätze, sie kriegt immer alles, was sie will.«
»Aber warum dich?«
»Keine Ahnung.«
Sie folgten einer weit geschwungenen Kurve, die quer über die Bergflanke zum Gipfel des Looney Ridge anstieg. Art zeigte auf einen Bulldozer.
»Das ist der, den Boyd benutzt hat, um den Felsbrocken auf Otis zu kippen. Boyd hat gesagt, der Brocken muss falsch aufgekommen sein und beim Abprallen ungewollt das Haus getroffen haben.«
»Höhere Gewalt«, sagte Raylan.
»So hat Boyd es tatsächlich genannt, ja, er hat von höherer Gewalt gesprochen, der Mensch könne schließlich nie wissen, was der Herrgott für ihn vorgesehen habe. Er sagte auch, das Unternehmen habe zugesichert, die Frau für ihren Verlust zu entschädigen.«
»Den Verlust von Haus oder Ehemann?«, fragte Raylan.
***
Der Bürowohnwagen kam in Sicht, von den kaputten Fenstern war bislang keines ersetzt worden.
Art sagte: »Sieh mal, wer da rauskommt, mit einem Besen in der Hand.«
Es war Boyd Crowder in weißem Hemd und bordeauxroter Krawatte – die Farben von M-T, wie sie auch auf allen Schildern zu sehen waren –, dazu eine fabrikneue Chinohose.
Raylan stieg aus dem Wagen.
»Lassen die dich etwa putzen, Boyd?«
»Auch wenn ich es am wenigsten erwarte«, sagte Boyd, »finde ich mich doch immer im Kreis der Gewinner wieder. Ich gehöre zu Carol Conlans engsten Mitarbeitern und unterstütze sie, während sie sich für die Anhörung fertig macht.«
»Fährst du deswegen die Limo?«
»Es ist nicht unter meiner Würde, mich hinters Steuer zu setzen«, sagte Boyd, »solange sie hinten bei sich auf dem Rücksitz irgendein armes Würstchen sitzen hat, das sie fertigmacht, ohne jemals die Stimme zu erheben. Wer recht hat, hat es nicht nötig, laut zu werden, Raylan.«
»Du kommst also mit ihr klar?«
»Wir diskutieren sämtliche Positionen und Kritikpunkte, die man zum Thema Bergbau über Tage vertreten kann ... und die in Form von Beschwerden die Firma erreichen. Sie will über alle neuen Konfliktherde informiert sein.«
»Frag sie doch mal«, sagte Raylan, »warum sie dir befohlen hat, Otis Culpepper zu erschießen.«
Boyd schüttelte müde den Kopf. »Musst du mich eigentlich immer so drangsalieren? Der Alte hat mit seiner Schrotflinte geschossen, bevor ich den ersten Schuss abgegeben habe.«
Auf Raylans Gesicht zeigte sich ein mattes Grinsen.
»Du hast Carol also das Leben gerettet?«
»Sagt sie zumindest.«
»Wo war sie, als Otis auf sie geschossen hat?«
»Wenn ich mich richtig erinnere, vor dem Trailer, sie war gerade durch die Tür nach draußen getreten.«
»Er hat also auf den Wohnwagen geschossen?«
Boyd sagte: »Hey, bitte. Alles, was ich weiß, ist, dass er Ms. Conlan nicht getroffen hat. Und das alles nur wegen des Fischteichs, von dem Otis behauptet hat, er sei gekippt, weil derganze Dreck, der beim Abbau entstanden ist, in den Bächen entsorgt wurde. Ich habe gesagt: Otis, werden Fische nicht auch mal alt und sterben, so wie alle anderen? Aber er wollte nicht auf mich hören.«
»Ist Carol schon da?«
»Sie ist noch in dem Haus in Woodland Hills, das diesem Typen gehört, der einen Teil des Konzerns besitzt, sie darf es immer nutzen, wenn sie in der Gegend ist. Casper Mott, erinnerst du dich an den?«
»So ein kleiner Typ«, sagte Raylan, »der ganz oben auf einem Berg wohnt.«
»Den Berg hat M-T ihm abgekauft. Er hat sie lange hingehalten, hat erst behauptet, einen Reitweg anlegen und
Weitere Kostenlose Bücher