Readwulf
Fleck hatte ich schon einmal gesehen. Das ist doch kein Zufall , schoss mir durch den Kopf.
Hastig öffnete ich noch einmal Tür fünf, um mir Vickys Mal vergleichen anzuschauen. Tatsächlich! Ich hatte mich nicht getäuscht.
Ich musste unbedingt Kassandra finden. Vielleicht war das die Winzigkeit, die man die ganze Zeit übersehen hatte.
Bei so wenig Platz im engen Raum, verschloss ich zunächst die bereits offenen Türen, bevor ich eilig die verbleibenden Möglichkeiten versuchte.
Nur zwei leere Behälter weiter, fand ich endlich die dritte junge Frau. Fast an der gleichen Stelle, wie bei Gracy und Vicky, entdeckte ich auch bei Kassandra diesen wunderlichen roten Punkt.
»Das muss es sein. Die Verbindung«, schlussfolgerte ich schnell. Aber was hatte das nur zu bedeuten?
Mir wurde kalt. Ob das nun an der niedrigen Temperatur im Kälteraum lag oder einfach nur der Umstand selbst mir ein Frösteln über den Rücken jagte, konnte ich nicht mehr ausmachen.
Ich stand vor der Toten und versuchte meine wirren Gedanken zu ordnen. Plötzlich krachte die schwere Eisentür ins Schloss und der Hebel knallte nach unten.
Ich saß in der Falle!
***
Kapitel 6
Eiszeit
»Nein«, schrie ich auf und zuckte zusammen.
Ungläubig starrte ich die geschlossene Eisentür an. Ich rüttelte am Griff, aber sie ließ sich nicht öffnen.
»Hilfe.«
»Ist da jemand?«
»Hallo, Hilfe! Ich bin hier drin«, rief ich noch lauter, während ich die Tür mit den Händen ergebnislos malträtierte.
Ich bekam keine Antwort, aber durch das von meinem Atem beschlagene Bullauge in der Tür, vernahm ich eine Bewegung im Sezierraum. Wieder hämmerte ich gegen die kalte Stahltür. Nichts, nur Totenstille.
»Hilfe! Bitte helfen sie mir doch.« Vielleicht hatte ich mich getäuscht.
Es bildeten sich bereits kleine Eiskristalle auf der Scheibe. Langsam spürte ich, wie die Kälte meine Beine hinauf kroch, als ich einen Umriss auf dem Boden bemerkte. Der Schatten entfernte sich von der Tür. Das war unheimlich.
»Hey, Stopp! Ich bin hier drin«, schrie ich wütend. Doch auch darauf bekam ich keine Antwort.
Meine Hände waren puterrot vom Hämmern und das fröstelige Gefühl in den Gliedern bereitete mir langsam Angst. Flehend schlug ich weiter gegen die fest verschlossene Tür. Die Beklemmung in mir wuchs stetig an.
»Hört mich denn keiner?«, wimmerte ich in die eisige Stille.
In diesem Moment wäre ein Handy ganz hilfreich gewesen, aber ob es hier drin funktioniert hätte bezweifelte ich. Einen Versuch wäre es Wert gewesen, doch ich hatte das Ding mal wieder daheim vergessen.
»Typisch«, fluchte ich und dabei sah ich, wie mein Atem in einer hauchfeinen Wolke sichtbar wurde.
Kälte zu fühlen, nicht nur zu spüren, war mehr als befremdlich. Meine Hände zitterten und auf meinen nackten Unterarmen machte sich Gänsehaut breit. Mir wurde ganz langsam bewusst: Jemand hatte die Tür absichtlich verschlossen und dann die Temperaturregelung im Kälteraum extrem nach unter manipuliert.
Wie lange ich so starr an der Tür stand, registrierte ich nicht mehr. Mein Zeitgefühl verschwand mit jeder Minute mehr, genau wie die Hoffnung, dass ich schnell aus diesem Kältekerker befreit werden würde.
Du musst dich bewegen Jules , flüsterte mein Unterbewußtsein.
Komm beweg dich, nicht steif stehen bleiben. Mein Überlebensinstinkt führte Selbstgespräche. Wie ein Tiger in einem viel zu kleinen Käfig lief ich auf und ab. Zwischendurch versetzte ich der Eisentür verzweifelte Schläge.
Irgendwann müssen die doch wieder kommen. Wo sind die nur alle? , fragte ich mich immer häufiger. Die Kälte war inzwischen nicht mehr zu ignorieren. Es war gewiss auch wenig hilfreich, dass ich nur eine Jeans und ein sommerliches T-Shirt trug. Meine Riemchensandalen gaben mir den Rest.
»Ttzzztztztz«, klapperten nun auch meine Zähne gegeneinander.
So gefroren hatte ich noch nie in meinem Leben und Rettung war noch immer nicht in Sicht. Das Denken fiel mir immer schwerer und auch meine Motivation zur ständigen Bewegung erschöpfte sich langsam aber sicher. Verzweifelt schrie und hämmerte ich noch einmal gegen die blöde Tür. Mit aller Kraft und Wut im Bauch holte ich mit dem rechen Fuß aus und donnerte ihn gegen den harten Stahl. Im selben Moment fiel mir wieder ein: Achtung, Sandalen! Eine Zehntelsekunde zu spät schoss mir Wasser in die Augen und meine Stimmbänder heulten grell auf: »Au … Au … Aua!« Auf einem Bein hüpfend, mit den Händen den
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