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Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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wenn sich das Ermittlungsbüro eines Staatsanwalts damit beschäftigt. Stimmt’s?«
    »Douwe wurde als Baby adoptiert, war in einem Heim und ist mit dem Gesetz in Konflikt geraten.«
    »Da haben wir’s.« Er fuhr sich durch seinen grau melierten Schopf. »Sollen wir Reinout wirklich damit behelligen?«
    »Das kann ich nicht beurteilen.«
    »Ich bin dagegen. Ich halte es nicht für ratsam …« Er schüttelte den Kopf. »Aber ich wüsste gerne, ob die Gefahr besteht, dass dieser Kerl eines Tages hier reinmarschiert.«
    Es klang kaltherzig, aber vielleicht hatte er es gar nicht so gemeint. Gerben wirkte überheblich, aber ich musste ihn ja auch nicht unbedingt mögen. Er tat, was er glaubte, tun zu müssen, er beschützte Reinout, seinen Patienten. »Douwe glaubt, dass sein Vater tot ist«, sagte ich. »Wie heißt denn diese Schwester in den Ardennen?«
    »Reina. Sie kommt ihn einmal im Jahr besuchen. Warum fragen Sie?«
    »Ich habe eine Karte gesehen, die der Junge von einer Tante bekommen hat. Sie war nur mit einer Initiale unterzeichnet, Tante F.«
    »Das ist Frauke«, sagte er ohne zu zögern.
    Ich holte mein Notizbuch heraus. »Ist sie eine Schwester von Reinouts Exfrau?«
    »Ja, die einzige Schwester.« Er warf einen Blick auf mein Buch. »Da gibt’s nicht viel aufzuschreiben, es sei denn Sie sind Schriftsteller wie Reinout und wollen das hunderttausendste Familiendrama verfassen.«
    Bei mir standen keine Werke von Reinout Barends im Bücherregal, aber das hatte natürlich nichts zu bedeuten. Es gibt mehr Autoren, als dem Buchhandel lieb ist. »War Reinout Schriftsteller?«
    »Na ja, gewissermaßen«, antwortete Gerben ziemlich kryptisch. »Das ist ein Teil des Dramas. Alle Familiengeschichten haben ja etwas Dramatisches, wie Freud schon gesagt hat, das behauptet jedenfalls Sjoerd.«
    Er pochte auf die Lehnen seines Stuhls und schaute nachdenklich zum Fenster, wie ein prätentiöser Schauspieler, der alle Register seines Fachs zieht, um seinen Text so ausdrucksvoll wie möglich zu interpretieren.
    »Reinout hatte schriftstellerische Ambitionen«, erklärte er. »Sjoerd meint, er hätte sogar mehr draufgehabt als der berühmte friesische Autor Anne Wadman, doch leider waren die Herausgeber anderer Meinung.« Gerben lachte verbittert. »Ich nenne Wadman deswegen, weil Reinout sich manchmal mit einer seiner Romanfiguren verglich, dem Bjinse Houtsma. Zwar hatte er weder eine langweilige Wietske noch einen verführerischen Alt in seinem Chor, aber dafür seinen eigenen Sopran. Sie hieß Anke Zijlstra und arbeitete in einem Blumenladen. Ihre Eltern waren geschieden und sie lebte bei ihrer Mutter, zusammen mit ihrer älteren Schwester Frauke. Sie war knapp zwanzig, Reinout dagegen schon über vierzig. Er war bis über beide Ohren verliebt und hätte am liebsten gleich hundert Kantaten für sie geschrieben.« Gerben winkte ab. »Aber wie gesagt, er war vor Liebe blind. Ich übrigens auch, damals. Ich war dreißig und glücklich verheiratet, aber ich muss zugeben, dass ich ganz schön neidisch war auf Reinout, der sich die blutjunge Sexbombe geangelt hatte, von der halb Leeuwarden träumte. Der Einzige, der Anke durchschaut hatte, war Sjoerd.«
    »Inwiefern?«
    »Er erkannte, dass sie nur Stroh im Kopf hatte. Es war das alte Lied: Junggeselle verliebt sich Hals über Kopf in eine blutjunge Frau, die den berühmten Schriftsteller in ihm sieht und hofft, mit seiner Hilfe der Provinz zu entfliehen. Alle waren davon überzeugt, dass Reinout ein berühmter Autor werden würde. Als eines Tages eine seiner Erzählungen in einer Anthologie erschien, stand in der Leeuwarder Courant: ›Der schreibende Eisenbahner auf dem Weg zu internationaler Anerkennung.‹ Für eine friesische Zeitung gilt Drenthe schon als international, aber Anke glaubte, Reinout würde mindestens irgendwann den Nobelpreis kriegen, falls sie überhaupt wusste, was das ist, und dass sie später in einer Villa mit Swimming-Pool an der Riviera leben würden. Sie konnte ihn gar nicht schnell genug heiraten.«
    »Er arbeitete bei der Eisenbahn?«
    »Ja, genau wie sein Vater. Schließlich musste er ja noch die Miete bezahlen, während er sich nachts sein Haus an der Riviera zusammenschrieb.« Gerben klang spöttisch, aber sein Gesichtsausdruck verriet, dass er es gar nicht komisch fand und Mitleid mit seinem Freund hatte, dass es ihm leidtat um diese Verschwendung, diese lebenslange Verzweiflung. »Reinout gab sich alle Mühe, aber seine Manuskripte wurden

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