Rebecca
bei Ihnen bleiben.«
Ich setzte mich auf den Stuhl rechts neben der Tür. Der längliche Raum roch medizinisch, obwohl die rechte Fensterhälfte einen Spalt offen stand. Drei Betten mit alten Männern. Der in der Mitte hing am Tropf, entweder schlief er oder er lag im Koma. Die beiden anderen saßen aufrecht in ihren Kissen und wurden gefüttert. Die Betten hatten hohe, herunterklappbare Seitenstützen, damit die Patienten nicht hinausfielen. Niemand bemerkte mich, nur die leeren Augen des Mannes ganz vorn, H. Dinstra, wie ich annahm, wanderten hin und wieder zu mir herüber, während er von einer Krankenschwester gefüttert wurde, die ihm nach jedem Bissen das Kinn abwischte.
Ich konnte den Mann im letzten Bett nicht sehen; er wurde von dem älteren Pfleger verdeckt, der mit dem Rücken zu mir saß und dem Geplauder der Schwester über die Entlassung einer gewissen Ria zuhörte. Ich sah nur, wie der erste Mann den Löffel mit Essen anstarrte, den die abgelenkte Krankenschwester beim Reden einen halben Meter vor seinen Mund hielt. Der alte Mann wartete mit offenem Mund, reglos in seinen Kissen sitzend. Er hatte den Kreislauf vollendet und war wieder am Anfang angekommen: im Babystuhl.
Die Krankenschwester fütterte ihn weiter und war als Erste fertig. Sie richtete sich auf, wischte das Gesicht ihres Patienten sauber, nahm das Tablett von der schmalen Ablage über dem Bett und drehte diese mit der freien Hand beiseite. Eine Unmutsfalte bildete sich über ihrer Brille, als sie mich neben der Tür sitzen sah. »Es ist keine Besuchszeit!«
Der Pfleger am letzten Bett blickte sich beunruhigt um.
»Ich habe einen Sonderdispens«, erklärte ich.
»Einen was?«
Wahrscheinlich war sie nicht katholisch. »Mevrouw Klasma weiß Bescheid, dass ich hier bin.«
Der Pfleger griff in einem Ton ein, der jede weitere Diskussion im Keim erstickte. »Schon gut, Josefien. Meneer Winter? Ich bin Pfleger Gerben. Ich komme gleich zu Ihnen.«
Die Schwester zuckte mit den Schultern und verschwand mit ihrem Tablett. Gerben war ein hoch gewachsener Mann mit wettergegerbtem Gesicht und grau melierten Haaren. Ich schätzte ihn auf weit über fünfzig. Er wischte seinem Patienten den Mund ab und stand auf. Er nahm das Tablett, drehte die Ablage beiseite und legte die freie Hand fürsorglich auf den Kopf des alten Mannes. »Gut so?«
Der Mann zwinkerte mit den Augen.
Gerben kam an die Tür. »Ich bring das nur mal schnell weg«, sagte er. »Bin gleich wieder da, bitte warten Sie hier auf mich.«
Der erste Mann starrte ins Leere, der in der Mitte war nicht bei Bewusstsein, nur Reinout Barends folgte mir mit den Augen, als ich Gerbens Anweisung ignorierte und an den Betten entlang auf ihn zuging. Ich lächelte ihn an und setzte mich auf Gerbens Stuhl. Barends sah aus, als habe er sein ganzes Leben in diesem Bett vor sich hin vegetiert, genährt von Medikamenten und zerkochtem Gemüse. Er hatte eine ungesunde, von dünnen Adern durchzogene weiße Haut, flauschige graue Haarbüschel auf dem Kopf, etwas hellere Bartstoppel um das Kinn und einen Spucketropfen im Mundwinkel. Körperlich war er ein Wrack, aber seine Augen lebten, tiefblau und hellwach.
»Hallo, ich bin Max Winter«, sagte ich.
»Greino.« Begleitet von ein paar Spucketröpfchen.
Ich tätschelte ihm die Hand. »Es tut mir leid, dass Sie krank sind.«
»Hie-hicht.«
Nicht? »War es ein Unfall?«
Barends blinzelte. Der Pfleger kam herein und stellte sich hinter mich. »Ja«, sagte er. »Ein Unfall. Aber es ist schon lange her.«
»Ramschie«, murmelte Barends.
»Beim Rangieren«, erklärte Gerben. »Er war Rangierer, es war ein Arbeitsunfall. Reinout versteht alles, was Sie sagen, aber er kann nur schlecht sprechen. Würden Sie bitte mit mir kommen?«
Ich stand auf. Reinout gab unartikulierte Laute von sich.
»Schon gut, Nout«, sagte Gerben. »Ich weiß doch Bescheid.« Er lächelte mich entschuldigend an. »Ich bin der Einzige, der ihn versteht, wir sind hier schon seit zehn Jahren zusammen. Wir sind gute Freunde.« Er schaute Barends an. »Stimmt doch, oder?«
»Hirn. Fawamachie.«
»Reinout möchte wissen, was Sie hier wollen.« Gerben schaute mich an und schüttelte kaum merklich den Kopf, mit warnendem Blick. Unsichtbar für seinen Patienten bat er mich mit einer Handbewegung zu schweigen. Sein Patient stieß erneut eine Reihe von Lauten aus.
»Kom leuverla?«
»Vielleicht. Du musst denen schon ein bisschen Zeit lassen.« Gerben griff nach dem Tuch, das auf dem
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