Rebecca
beauftragen und vorher einen mehrtägigen Aufenthalt in London buchen, mit Ausflügen zum Tower und zum Buckingham Palast und zu den Beefeaters und Chicago! und zurückkehren in das Haus eines Junggesellen.
Ich hatte das Mädchen ganz vergessen, aber auf dem Weg in die Küche, wo ich Teewasser aufsetzen wollte, sah ich sie draußen auf der Terrasse sitzen. Ich öffnete die Tür.
Sie stand sofort auf. Ihr Gesicht spiegelte jene Mischung aus Hemmungen und Ängstlichkeit wider, an die ich mich allmählich gewöhnte, und dazu noch einen Anflug von Dickköpfigkeit. »Ich bin Rebecca Welmoed«, sagte sie. »Aus Acquoy.«
Ich nickte. »Ja?«
»Meine Freundin meinte, Sie könnten mir vielleicht helfen.«
»Wobei?«
Wir standen uns gegenüber, sie draußen, ich drinnen. Sie hielt eine rosafarbene Mappe in der Hand. »Mein Vater ist gestorben«, sagte sie. »Er ist unter einen Zug gekommen. Die Polizei glaubt, dass es Selbstmord war.« Sie brachte das Wort nur mit Mühe hervor, und da fiel mir ein, wo ich diese Augen schon einmal gesehen hatte, nämlich auf dem Friedhof.
»Das tut mir leid«, sagte ich.
»Ich glaube aber nicht, dass er es selbst getan hat. Es gibt da ein paar Ungereimtheiten.«
»Es ist immer schwer, so etwas zu akzeptieren«, sagte ich. »Ich kann dir nicht helfen, tut mir leid.«
»Aber Sie sind doch Privatdetektiv?«
»Ich arbeite zurzeit nicht.«
»Sind Sie krank?«, fragte sie.
Ich schüttelte den Kopf. Ich sah, dass auch sie mich vom Friedhof her wiedererkannte und dass ihre Dickköpfigkeit wieder die Oberhand gewann, als sei sie überzeugt, dass Menschen, die Angehörige verloren hatten, einander irgendwie helfen müssten. Man konnte in ihrem Gesicht lesen wie in einem offenen Buch. Sie war noch zu jung, um andere mit einer falschen Miene zu täuschen. Ein Teenager mit dunklen Locken und einer hohen, glatten Stirn, einer kräftigen, in Reste Babyspeck eingebetteten Kinnpartie und jenem ausgeprägten Zug um den Mund, der Temperament verriet.
»Selbstverständlich kann ich Sie bezahlen«, erklärte sie. »Meine Mutter hat mir etwas Geld hinterlassen, über das ich verfügen kann, sobald ich achtzehn werde.«
Mutter tot, Vater tot. Sie erweckte Mitleid und ein neugieriges Kribbeln, das ich schon vergessen hatte. »Wenn du glaubst, dass irgendetwas nicht stimmt, solltest du lieber zur Polizei gehen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe alles für Sie aufgeschrieben.« Sie hielt die Mappe hoch und legte sie demonstrativ auf den Terrassentisch. »Ich lasse Ihnen die Unterlagen hier, ich weiß nicht, was ich sonst damit anfangen soll. Bitte schauen Sie sie sich wenigstens einmal an.«
Ich murmelte, dass ich ihr nicht helfen könne, aber sie hatte die Terrasse bereits verlassen, als wolle sie mir keine Gelegenheit geben, sie abzuweisen. Ich nahm die Mappe mit hinein und legte sie auf meinen Schreibtisch. Rebecca fuhr mit dem Fahrrad an den halbrunden Alufenstern auf der Deichseite vorbei, kräftige Beine, eilige Füße auf den Pedalen, mit der unerbittlichen, scheuen Entschlossenheit der Jugend.
Ich wandere unruhig durch das Haus. Es wirkt noch leerer, als fehle immer mehr. Niemand ruft an und ich mache einen Bogen um meinen Schreibtisch.
11
Ursprünglich hatte Rob seinen Geburtstag nicht feiern wollen, aber alle anderen wünschten sich ein normales Leben oder wollten wenigstens ein bisschen von ihrem normalen Leben wiederhaben. Er bekam Geschenke und Suzan kochte ein Geburtstagsessen, mit Els und dem südafrikanischen Sekt zum Nachtisch. Dennis hatte für Rob ein Lederportmonee gekauft, mit Extrafächern für seine Autopapiere und die zukünftigen Kreditkarten, worüber sie fröhliche Scherze machten. Elena war auch gekommen und hatte einen Pullover für Rob und Blumen für Suzan mitgebracht. Rob hatte ihr bereits erzählt, wie Dennis zu ihnen gekommen war und dass sie zusammen eine Gärtnerei eröffnen wollten, aber sie traf ihn heute zum ersten Mal. Rebecca fand Dennis’ Bewunderung für Elenas Studium und ihre zukünftige journalistische Karriere reichlich übertrieben, aber Rob strahlte vor Stolz, weil seine Freundin so viel Eindruck auf seinen zukünftigen Partner machte.
Elena reagierte ziemlich zurückhaltend auf Dennis. »Macht ja auf den ersten Blick einen netten Eindruck«, bemerkte sie später Rebecca gegenüber. »Aber findest du ihn nicht auch ein bisschen zu aalglatt?«
Rebecca konnte sich immer noch nicht vorstellen, dass die Beziehung zwischen ihrem Bruder und
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