Rebecca
hatte Welmoeds Auto am Straßenrand gestanden. Mein Auto stand in der anderen Richtung, jenseits der Unterführung. Wir gingen an Caspers Haus vorbei und ich verabschiedete mich von ihm.
»Okay, Casper. Du hast mir sehr geholfen. Danke dir.«
Er gab mir die Hand. »Sind wir wegen dem Fahrradfahrer da langgegangen?«
»Ja, aber das muss vorläufig unter uns bleiben«, bat ich. »Deswegen habe ich auch dem Mann im Garten nichts gesagt, sondern das mit den Eisvögeln erfunden.«
»Ich sage ganz bestimmt nichts.«
»Gut, denn es soll ja niemand auf falsche Gedanken kommen, darauf müssen wir in unserem Beruf immer achten.«
»Aber ich darf doch wissen, warum das so wichtig ist, oder?«
Er war mein Freund. Wir hatten zusammen rekonstruiert. » Na gut. Wenn der Fahrradfahrer einer von den beiden Männern war, kann es sein, dass er sein Fahrrad irgendwo vor den Schrebergärten abgestellt hat, wo du es nicht sehen konntest«, erklärte ich. »Dann könnte er den anderen Mann begleitet haben und anschließend auf dem Weg zu seinem Fahrrad zurückgekehrt sein, den wir eben gegangen sind. Das wollte ich nur mal überprüfen.«
Mein Hilfssheriff hatte ein helles Köpfchen. »Meinen Sie, dass der Fahrradfahrer den anderen Mann vielleicht …« Er kniff die Augen zusammen. »Aber dann muss der Mann schon vorher tot gewesen sein, denn der Fahrradfahrer kam wirklich vor dem Unglück vorbei, nicht danach.«
»Im Moment wissen wir noch gar nichts«, sagte ich. »Wir könnten uns auch ganz schrecklich irren. Versprichst du mir, dass du niemandem etwas verrätst?«
»Na klar.«
»Hier ist meine Visitenkarte. Wenn dir noch irgendetwas einfällt, kannst du mich jederzeit anrufen.« Ich holte ein Kärtchen aus der Brusttasche. »Aber du darfst dir nicht einfach irgendetwas ausdenken.«
Casper grinste. »Zum Beispiel, dass ich Eisvögel gesehen habe?«
Ich klopfte ihm auf die Schulter. »So, und jetzt geh mal einen dicken Hecht fangen.«
Ich legte den Hauptschalter um und weckte Nels Station. Im Heuschober fing alles Mögliche an zu summen.
Ich setzte mich vor den großen Bildschirm an ihrem Zentralrechner. Unter den Icons befand sich ein ulkiges Männchen mit einer karierten Kappe, das durch ein Vergrößerungsglas schaute. Ich klickte es an.
Hallo, Max. Kiss.
Ihre Lippen. Ich musste schlucken. Draußen vor dem Fenster flatterten auf einem dicken Ast zwei Rotkehlchen übereinander hinweg, immer wieder, als wollten sie beide rechts nebeneinander sitzen und nicht links. Ein kleiner Ehestreit, flaumige Körperchen, wippende Schwanzfedern, flatternde Flügel, Vogelflirten. Mir war natürlich klar, dass Nel mich nur an das alte Hacker-Motto erinnern wollte: Keep it simple, stupid, sonst nichts.
Am oberen Bildschirmrand erschien ein Balken mit Nels eigenen Symbolen, unter denen gelb unterlegt die Erklärungen erschienen, wenn ich den Cursor darauf bewegte: Justiz, Autokennzeichen, Telecom, Ärzte, Steuer, Sozialversicherung, Lexikon, Internet und vieles mehr, außerdem ein rotes Kästchen mit Schlüsselsymbol und den Buchstaben MQHM, Nels Geheimwaffe, wie ich mich erinnerte.
Was suchst du?
Ich tippte in ein Fenster Dennis Galman ein.
Ich klickte auf Justiz. Nichts tat sich.
Vielleicht solltest du den Telefonstecker einstecken.
Mist. Der Stecker lag vor der Steckdose der Telefonanlage, die zwischen anderen Steckdosen und Anschlüssen unter dem Fenster angebracht war. Ich steckte den Stecker ein und der Computer wählte sich automatisch in den E-Mail-Server ein. Normalerweise musste man dafür über Outlook gehen, aber Nels Computer führten ein Eigenleben. Posteingang: 3 neue Nachrichten.
Die erste stammte von Eddie, Nels Computerfreund . Mi2g will dir CYNCAS abkaufen, sie bieten 50.000 £ = ca. 2 Jahre Tantiemen, ich würd’s machen, in 2 Jahren haben wir längst Besseres. Sag Bescheid. Ed.
Ich schaute auf das Datum. Einen Tag nach dem Unfall. Da hatte Eddie noch nicht gewusst, dass Nel keine E-Mails mehr beantworten würde. CYN war CyberNel und CAS vermutlich das Conditional Access System, das sie für eine Londoner Firma entwickelt hatte. Eddie hatte auf der Beerdigung nichts davon gesagt, aber das war nicht weiter ungewöhnlich, er wusste, welcher Anwalt Nels Interessen wahrnahm. Auf ihrem Bankkonto gingen immer noch Zahlungen ein, Tantiemen für ihre Erfindungen, aber wie Eddie zu Recht bemerkt hatte, lebte sie in einer Welt, in der schon nach einem Jahr alles zur Antiquität wurde.
Nels Eltern waren der
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