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Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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hinein. Altmodische Blausäure. Ich machte mir keine Illusionen, was Fingerabdrücke anging, steckte das Fläschchen aber trotzdem in eine Plastiktüte und verbarg sie an einem sicheren Ort.
    Ich war auch hinüber zum Heuschober gehinkt, wo ich vor der Tür eine weitere große Streichholzschachtel fand, ebenfalls mit einem einzigen Streichholz darin. Die Botschaft war sonnenklar, selbst für mein erschüttertes Gehirn. Die Streichhölzer waren eine Extrawarnung, falls ich die mit dem Knüppel missverstanden hätte und so naiv gewesen wäre zu glauben, mein Angreifer sei irgendein Psychopath, der nur so zum Spaß Leute zusammenschlug, die nachts ihre Pistole aus dem Auto holen wollten. Die Streichhölzer waren der stinkende Fisch, den Marlon Brando seinen Widersachern in den wilden Zwanzigerjahren nach Hause schickte, um sie zur Ordnung zu rufen.
    Ein Rätsel war mir jedoch die Kombination. Vielleicht hatte er es nicht gewagt, mich zu ermorden, schließlich hatte ich ihn unschlüssig um mich herumlaufen sehen. Die Blausäure war ja an sich ein effektives Mittel, um mich auszuschalten. Ein Blinder steckt seine Nase nicht mehr in die Angelegenheiten anderer Leute. Andererseits kann er aber auch keine Streichhölzer vor der Tür liegen sehen, also was hätten die noch für einen Sinn gehabt? Wollte er auf Nummer sicher gehen? Oder war er einfach verrückt? Er hatte Zeit genug gehabt. Vielleicht hatte er zuerst die Streichhölzer hingelegt, als er noch glaubte, diese Warnung und eine Tracht Prügel würden reichen, beschloss aber dann spontan, eine Spur härter durchzugreifen. Aber er hatte doch das Fläschchen bei sich gehabt. Das verstand ich nicht. Vielleicht war er doch verrückt und in diesem Fall musste ich besonders aufpassen. Verrückte kann man nicht einschätzen, sie sind unberechenbar.
    Vielleicht sollte ich auch mal zum Psychiater gehen, denn als ich vor dem Heuhaufen hockte, musste ich unwillkürlich lachen. Ich kam auf den absurden Gedanken, dass Cornelia, meine CyberNel, schließlich Wecker umdrehte und aller Wahrscheinlichkeit nach auch andere psychokinetische Tricks auf Lager hatte, zum Beispiel mit Streichhölzern. Sie arbeitete mit allen Mitteln, um mich aus meinem Tran zu reißen. Sie rief mich streng zur Ordnung, mit einer ordentlichen Tracht Prügel, dem in Zeitung gewickelten stinkenden Fisch und einem verwirrten jungen Mädchen, das mir nun durch das Haus folgte und unsicher die Fenster anschaute, als beunruhigten sie die vielen Glasscheiben irgendwie, obwohl sich die größten Scheiben zum Garten hin befanden, wo sowieso kein Mensch vorbeikam.
    »Ich war gerade mit dem Frühstück fertig.« In der Küche fiel das Sonnenlicht zu beiden Seiten herein. »Bitte setz dich doch, ich räume nur schnell ab.«
    »Kann ich Ihnen helfen?«
    Ich hatte das bisschen Geschirr schon aufgestapelt und auf die Anrichte gestellt, bevor sie die Hand ausstrecken konnte. Ein Frühstück für einen allein stehenden Mann ist keine große Sache. »Ich hole mal die Unterlagen. Möchtest du eine Tasse Kaffee?«
    »Gern. Soll ich schon mal welchen aufsetzen?«
    »Ja, danke. Da steht die Maschine, den Kaffee findest du direkt darüber.«
    Ich ging nach draußen, lief um das Haus herum und hinauf auf den Deich. Ich sah keine Menschenseele. Bei meiner Rückkehr lief der Kaffee durch und Rebecca wischte mit einem feuchten Tuch die Krümel vom Tisch. Auch die Kaffeegläser hatte sie gefunden. Sie wirkte sehr nervös.
    Ich legte ihre Mappe, mein Notizbuch und einen Schreibblock auf den Tisch und zog mir einen Stuhl heran. »Dann kriege ich jetzt erst mal einen Euro von dir«, sagte ich.
    Sie blieb verwirrt stehen. »Einen Euro?«
    »Ja, um dich ganz offiziell zu meiner Klientin zu machen.«
    Sie errötete und biss die Zähne zusammen. »Ich kann Sie durchaus ganz normal bezahlen, nur …«
    »Darüber reden wir ein andermal. Das hier ist nur pro forma.«
    Sie spülte das Tuch aus und legte es über die Seifenschale. Dann drehte sie sich um und sagte: »Ich habe aber kein Geld dabei.«
    »Kein Problem.« Ich stand auf. Sie trat ein Stück beiseite, als ich eine Küchenschublade voller Krimskrams öffnete. »Ich leihe dir solange den einen Euro.«
    Ich drückte ihr den Euro in die Hand und hielt meine Hand sofort wieder auf. Sie runzelte die Stirn und fing an zu lachen. Für sie war das Ganze eine Art Witz und genauso war es ja auch gemeint: Es entspannte sie, genau wie die Haushaltstätigkeiten. Sie gab mir den Euro in die Hand.

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